„Schreibe wie du redest, so schreibst du schön.“ (G.E. Lessing)
Schreiben macht Freude, entspannt, verbindet mit anderen, stärkt die eigene Person und ist jedem möglich, der das Alphabet kennt. Nur ist es nicht immer so leicht, mit dem Schreiben anzufangen. Hilfreich ist es daher, zu wissen, dass es unterschiedliche Schreibtypen gibt.
Schreibtypen
Die Planenden handeln nach dem Motto: Erst denken, dann schreiben. Das Überlegte wird im Schreibprozess ausgeführt. Stringent und mit einem roten Faden versehen, wird das Wort aufs Papier gebracht. Nachteil dieser Art der Herangehensweise kann sein, dass man sich in der Planung verliert und nicht zum Schreiben kommt, dass man sich neuen Ideen, die sich zwischendurch einstellen, nicht öffnen kann. Es dauert evtl. lange bis man handfeste Ergebnisse in Form eines Textes vor sich sieht.
Der Drauflosschreiber findet seinen Duktus und schreibt und schreibt, sozusagen “frei von der Leber weg“. Mit Schwung und unbeschwert fließen die Gedanken auf das Blatt. Ideen, die sich ergeben, werden eingearbeitet, er sieht schnell, was er geschafft hat. Nach dem Motto: „Oft ist das Denken schwer, indes,/ das Schreiben geht auch ohne es.“ (Wilhelm Busch) Ein Abschweifen vom Thema ist denkbar, Überarbeitungszeiten sollten eingeplant werden.
Nichtlinear-Schreibende sind flexibel, schreiben an einer anderen Stelle weiter, wenn sie irgendwo in einer Schreibsackgasse gelandet sind. Viele kleine Arbeitsschritte nehmen die Angst vor Großprojekten. Die Vorläufigkeit ihrer Vorgehensweise verhindert lähmenden Perfektionismus. Manchmal werden schwierige Passagen unendlich lange vor dem auf das Blatt-Bringen, vor sich hergeschoben, und manchmal wird der Überblick verloren.
Mehrversionenschreiber nutzen das Schreiben zum Denken. Sie schreiben unbeschwert, ohne Perfektionismusanspruch. Viele Versionen entstehen, sie müssen sich evtl. von viel Text wieder trennen.
Recherche- und Überarbeitungsschreibende erkennen Zusammenhänge, haben einen guten Überblick, sind fundiert über das Thema informiert und stilistisch sicher.
Es besteht die Gefahr, sich in der Recherche zu verlieren, bevor man mit der Arbeit des Schreibens begonnen hat. Es gibt manchmal mehr Informationen als sich in einem interessanten Text verarbeiten lassen.
Resümee
Zu jedem Schreibprozess gehören Schreibprobleme und Phasen, in denen die Energie zum Stillstand kommt. Vielleicht ist es sinnvoll, nicht von „Schreibblockaden“ zu sprechen, um die auftretenden Probleme nicht zu überhöhen. Je mehr man sich kennt, je eher gelingt es einem, seinen eigenen Schreibfluss und -stil zu finden. Man erkennt die Fallen, die sich aus den persönlichen Schreibgewohnheiten ergeben und kann damit umgehen (vgl. Sennewald, Nadja; Girgensohn, Katrin, Schreiben lehren, Schreiben lernen, 2012).
Was noch hilft!
Außer den eigenen Schreibtyp zu kennen, gibt es noch weitere Möglichkeiten, dem Schreiben durch unterstützende Maßnahmen seinen Fluss zu lassen.
Umgebung
Es ist sehr unterschiedlich, was Menschen brauchen, um schreiben zu können, bei dem einen ist es der Schreibtisch, beim anderen die Straßenbahn oder das Cafe´. Die Umgebung beeinflusst, wie gut wir schreiben können und das herauszufinden, was für den Einzelnen das Richtige ist, ist seine vordringlichste Aufgabe.
Rituale
Wenn man Sport macht, z.B. joggt, weiß man, dass es wichtig ist, dass sich da nicht erst ein Denken einstellt, das sagt: Heute nicht, das Wetter ist zu schlecht. Man steht morgens auf, zieht die Sportsachen an und läuft los. Ähnlich kann man es auch mit dem Schreiben machen. Zur selben Zeit schreiben oder mit bestimmter Musik oder, oder….
Regeln
Kein Korsett anlegen, wenn man Wörter zu Papier bringen will. Formale und stilistische Regeln oder das Setzen der Kommata darf beim ersten Guss außer Acht gelassen werden. Auf diese Weise werden Stockungen und Blockaden vermieden, die Korrektur ist ein zweiter, wichtiger Arbeitsgang.
Adressaten
„Ich schreibe, also bin ich“ – aber meistens wird geschrieben, damit andere es lesen. Für wen schreibe ich? Wen will ich ansprechen? Eine konkrete Vorstellung vom „idealen“ Leser führt den Schreibenden oft weiter. Sich überlegen, welche Bedürfnisse der Leser hat und was er vom Text will, lassen plastisch werden, was der Schriftsteller sagen will.
Das Freisetzen von Kreativität: Schreiblust!
Für Julia Cameron ist „Kreativität eine göttliche Energie, die durch uns hindurchfließt und von uns gestaltet wird wie Licht, das sich in einem Prisma bricht. Wenn wir uns darüber im Klaren sind, wer wir sind und was wir tun, dann fließt die Energie frei, und wir erleben keinerlei Anstrengung.“ (Cameron, 2000, S. 281). Wie aber lässt sich die Ebene erschließen, die offenbar jenseits der Sinne und der Vernunft liegt?
Kreativität entfalten
Der Begriff Kreativität bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch die Eigenschaft eines Menschen, schöpferisch zu sein, Neues hervorzubringen. Das Wort kommt aus dem Lateinischen, creare bedeutet übersetzt „schöpfen“. Darauf vorbereitet zu sein, dem Suchenden ein Wort, einen Satz, eine Geschichte mitzugeben, meint, die eigenen kreativen Anteile und die rechte Gehirnhälfte zu schulen. Jonglieren, Rückwärtsgehen, auf einem Bein stehen und vieles mehr, hilft, die eigene Person in Schwung zu halten und gewohnte Verhaltens- und Lebensmuster zu durchbrechen. Immer wieder „das ganz Andere“, Unerwartete tun, Alltagsrituale zu durchbrechen, befähigt zu spontanem und neuem Sehen, das eine andere Form des Schreibens fördert.
Achtsamkeit
Achtsame Weltwahrnehmung und sensible Aufmerksamkeit dem eigenen Körper gegenüber, schulen das „Hinsehen – und Aufnehmen – können“. „Achtsamkeit ist daher eine ganz wesentliche Unterhaltungs- und Wartungsmaßnahme für das menschliche Gehirn“ (Gerald Hüther). Folgende Übung wird unter vielen anderen empfohlen: „Versuchen Sie, Ihr eigenes Leben heute als eine Reise und als ein Abenteuer zu sehen. Wohin sind Sie unterwegs? Was suchen Sie? Wo befinden Sie sich in diesem Augenblick? In welchem Stadium der Reise befinden Sie sich? Sind Sie auf irgendeine Weise festgefahren? Können Sie sich vollständig allen den Energien öffnen, die Ihnen in diesem Augenblick zur Verfügung stehen? Denken Sie stets daran, dass diese Reise ganz und gar Ihre eigene ist, nicht die irgendeines anderen Menschen. Deshalb muss der Pfad der Ihre sein. … Sind Sie bereit, Ihrer Einzigartigkeit gerecht zu werden?“(Jon Kabat-Zinn, Im Alltag Ruhe finden, Frankfurt am Main, 2007, S.91).
Diese Lebenshaltung beeinflusst das Dasein, die Einstellungen. In der Sammlung, der Meditation, im Gespräch mit dem Universum, im Gebet nimmt der Mensch Teil an einer anderen Dimension der Wirklichkeit. Denn mithilfe von Entspannungs- und Versenkungstechniken kann dem Leben eine andere Perspektive abgewonnen werden. Das „Machen-wollen“ wird ersetzt durch Ruhe und Gelassenheit. Das Leben wird bewusster gestaltet. Im Gespräch mit dem Universum liegt die Chance, Hoffnungen und Ängsten, die in Personen leben, Raum zu geben. Das kann befreiend wirken, wie ein tiefes Durchatmen oder herzhaftes Gähnen, Möglichkeiten zum Handeln eröffnen sich.
Walt-Disney Methode
Die Kreativität lässt sich entfalten, wenn man in verschiedene Rollen schlüpft. Betrachten kann man das Leben oder das Schreibproblem als Träumer, Realist und Kritiker. Als Träumer wird jeder Idee freien Lauf gelassen, egal wie verrückt sie erscheint. Als Realist werden die nötigen Arbeitsschritte notiert, Kosten und Nutzen abgewogen. Fehler und Schwachpunkte einer Idee analysiert der Kritiker. Die jeweils neuen Zugangsweisen ermöglichen verschiedene Gesichtspunkte.
Ein Blick zurück in die Geschichte des Wortes
Die Macht des Wortes
In der zweiten Schöpfungsgeschichte wird berichtet, dass Gott den Menschen macht, er stattet ihn mit der Fähigkeit der Sexualität und Sprache, also der Möglichkeit zur Kommunikation aus. Des Weiteren gehört zur Ausstattung die Fähigkeit zur Vernunft und zur Gestaltung des Gedankens, also zur körperlichen Umsetzung. Ein wichtiges Äußerungsmittel des Menschen ist die Sprache. Die Macht des Wortes und die heilsame Wirkung der gestalteten Sprache wurden von Menschen erkannt und genutzt. Anfangs waren es magische Sprüche, Totenanrufungen, Beschwörung von Dämonen, Krankheitsbann und Heilsegen, durch die das Unbenennbare benannt oder verfügbar gemacht werden sollte. Die kathartische, die Seele reinigende Wirkung der Sprache (beispielsweise nachzulesen in Klageliedern des Alten Testaments) und die tröstende Wirkung des Zuspruchs von Trostgedichten sind der Antike bekannt.
Der Mensch lernt Schreiben
Das Alphabet, ca. 1000 v. Chr. entstanden, zeigt den Beginn eines wesentlichen Elements der Zivilisation, die Entwicklung der Schriftfähigkeit, an. Das Schreiben reicht bis 500 v. Chr. zurück (zu dieser Zeit entstand am Portal des Apollon die Inschrift „Erkenne dich selbst“) und ist eine wegweisende Form der Kommunikation. Die ersten Dichter waren die Götter der griechischen Mythologie. Zeus war der Vater der Musen, Mnemosyne die Mutter. Apollon, der Vater des Asklepios, war nicht nur der Gott der Heilkunst, sondern zugleich auch Gott der Dichtkunst. Er war versehen mit dem Attribut der Schönheit, die mit dem Zustand der Gesundheit gleichgesetzt wurde. Von den Göttern übernahmen die Heroen die Kunst des Dichtens. Aristoteles (384-322 v. Chr.), sah in der Dichtkunst die Möglichkeit, Talent zu verwirklichen.
Mithilfe des Durchlebens von Gefühlen wie Jammer/Rührung und Schrecken/Schauder erfährt der Zuschauer der griechischen Tragödie Läuterung seiner Seele von diesen Erregungszuständen. Das Miterleben im Drama bewirkt Katharsis, Reinigung, befreiende und heilende Wirkung durch das gesprochene Wort.
Die autobiographischen Schriften („Bekenntnisse“) des heiligen Augustinus (354-430 n. Chr.) haben Ähnlichkeiten mit der Bibliotherapie von heute.
Durch das Lesen der von Augustinus niedergeschriebenen Einsichten, Lebensfragen und –nöte gehen dem Interessierten Erkenntnisse für seine Probleme durch den Kopf und er wird befähigt, neue Perspektiven und Einsichten zu gewinnen. Auch wenn Augustinus geplagt war von Zweifeln und Resignation, so überstrahlte die Gewissheit, dass Glaube, Liebe, Hoffnung die tragenden Säulen einer christlichen Existenz sind, seine Ängste. Das wollte er allen, die ähnlich wie er immer wieder geplagt waren von Anfechtungen, weitergeben. Er selbst bearbeitet seine Probleme durch das Niederschreiben seiner Autobiographie. Augustins Art des Schreibens in den „Bekenntnissen“ kann als Vorläufer der Bibliotherapie verstanden werden. In der bibliotherapeutischen Arbeitsform kommen vielfältige Genres der Literatur (wie Lyrik, Drama), Reise-, Lebens- und Schicksalsberichte sowie Biographien zum Einsatz. Sie können die Identifikation und die Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen unterstützen. Zu den Zielen der Bibliotherapie gehört es, kognitive und emotionale Verarbeitungsprozesse bei den Lesenden zu unterstützen, Informationen bereitzustellen, die dazu beitragen, eigene Einstellungen und Verhaltensweisen zu verändern. Lektüre hilft also, Einsicht in Probleme zu vermitteln, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, Vergleiche mit anderen Menschen zu ermöglichen und Mut zur Veränderung zu machen.
Ein großer Sprung führt in die nahe Vergangenheit der Poesietherapie. Ab der Jahrhundertwende kann man nicht mehr von Vorläufern und Vorbereitern des Creative Writing sprechen. Sigmund Freud (1856-1939) darf mit seiner Methode der Traum-Bearbeitung mittels der Freien Assoziation als eine Art Begründer des Creative Writing verstanden werden. Von ihm haben die späteren Wegbegleiter gelernt und profitiert. Er hat auch die Selbsttherapie durch Schreiben begründet und hat diese Selbstanalyse und Selbsttherapie sein Leben lang gepflegt.
Das freie Assoziieren weist auf automatisches Schreiben hin und basiert darauf, dass der Schreibende sich in einen möglichst passiven Zustand versetzt und unter Ausschaltung der inneren Zensur schreibt. (Daniel Paul Schreiber 1903). Das automatische Schreiben der Surrealisten, die Sprachexperimente der Dadaisten und die mythologische Imagination der Expressionisten finden noch heute im kreativen und therapeutischen Schreiben Anwendung (vgl. Heimes, 2011).
Jakob L. Moreno baute auf die befreiende und heilende Wirkung des Wortes auf. Dieser prägte in den 1930er Jahren den Begriff des Psychodramas. Er bediente sich daneben eines Verfahrens, das er Psychopoetry nannte und das sich vor allem dadurch auszeichnete, aus dem Stegreif Verse zu bilden. Er legte großen Wert darauf, dass die gebildeten Verse keinen Sinn ergeben müssten und sprach deshalb auch von Nonsense-Poetry. Moreno war der Meinung, dass eine unsinnig erscheinende Versbildung dem Erleben näher als geformte Verse stehe, da durch sie Gefühlskomplexe besser zum Ausdruck gebracht werden könnten, als in geformter Sprache. Das Psychodrama hat noch heute einen festen Platz innerhalb der Ausdruckstherapien und wird in Kliniken als Therapieform angeboten.
Das Schreiben diente vor Siegmund Freud in erster Linie zur Darstellung von Gefühlen und Erfahrungen, vor allem der Selbsterkenntnis. Er war ein Verfechter der Selbstanalyse, der freien Assoziation und Traumdeutung, die sich seiner Ansicht nach sowohl mit einem Gegenüber in mündlicher Form als auch alleine in schriftlicher Form durchführen lasse.
Parallel zu der von Freud ins Schreiben transportierten Methode des freien Assoziierens, eröffneten die in dieser Zeit aufkeimenden Methoden des Expressionismus, Dadaismus und Surrealismus neue experimentelle und therapeutische Schreibmöglichkeiten. Das automatische Schreiben wurde entwickelt.
Poesietherapie, ein Ausdruck, die dem amerikanischen poetry therapy entlehnt ist, sie wurde von Jack Leedy und Arthur Lerner geprägt. Die Poesietherapie hat in den Vereinigten Staaten schon lange ihren Platz. Es wurde ein Arbeiten mit psychisch Kranken mithilfe der Bibliotherapie entwickelt. Dem folgt der Ansatz des therapeutischen Heilens durch Dichten und Schreiben (vgl. Heimes, 2011).
Die Poesietherapie verdankt in Europa ihren Aufschwung in erster Linie E. Pickworth Farrow, Klaus Thomas und Hilarion Petzold. E. Pickworth Farrow, ein in England geborener Biologe, litt selbst an einer durch den Ersten Weltkrieg verursachten Depression. Mit Hilfe der freien Assoziation arbeitete er sich bis in seine Kindheit zurück und stieß auf die Ursachen seiner depressiven Neurosen. Das therapeutische Schreiben erfuhr in der Folge an Universitäten und auch im außeruniversitären Bereich eine gewisse Breite. Es gilt „Heilsames Schreiben“ für alle Menschen fruchtbar zu machen.