Was mir während meines 10 monatigen Auslandseinsatz ab Mitte März 2017 für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in Hévíz in Ungarn bei der deutschen evangelischen Gemeinde begegnet ist, möchte ich Ihnen, Euch erzählen.
Eingewöhnt?
Die ersten Wochen in einem fremden Land, in Hévíz in Ungarn, sind überstanden. Die neue Arbeit, die Begleitung der Touristen, Residenten und Kurgäste ist aufgenommen. Ich weiß, wo die Post ist und wo sich die wichtigsten Geschäfte befinden, die Grundregeln des Alltags in einem anderen Land sind bei uns angekommen, dass z.B. Zigaretten nur in kleinen staatlichen Läden verkauft werden, dass sich die Menschen hier an Vorschriften halten, z. B. dass die Hunde angeleint Gassi geführt werden. Einer Frau wird bei der Begrüßung durch Handwerker oftmals die Hand nicht gereicht, eine ungarisches „Küss‘ die Hand“ wird gemurmelt; der danebenstehende Ehemann erhält sie wohl.
Eine Weile, fast 30 Jahre, ist es jetzt schon her, dass die Grenzöffnung gefeiert werden konnte und vieles hat sich getan, auch wenn in machen Winkeln die Straßen noch wie zu DDR-Zeiten aussehen und sich auch so fahren. Renovierte Gebäude und Verfallenes wechseln sich ab. Die deutsche Sprache ist zumindest hier im grenznahen und traditionell mit Deutschen besiedeltem Gebiet allgegenwärtig. In Bad Hévíz trafen sich vor der Wende die ost- und westdeutschen Verwandten, die sonst keine Möglichkeit hatten zueinander zu kommen und machten gemeinsam Urlaub. Ein paar Kilometer weiter, wird der Balaton, einer der größten Binnenseen Europas, im Sommer von deutschen Familien und vielen Wassersportler heimgesucht.
Und trotz aller Veränderungen in der Zeit nach der Öffnung ist der Stallgeruch des Ostblocks noch nicht abgeschüttelt. Denn, obwohl das Wetter in dieser Gegend Ungarn bis in den Oktober hinein sehr warm, bis 23 Grad, sein kann und zum späten Baden verleitet, werden am Balaton am 20. August die Bürgersteige hochgeklappt und Fressbuden und Kirmesgeräte geschlossen. Dieser Tag ist der Nationalfeiertag, er wird zu Ehren von König Stephan I. gefeiert, da er als Gründer des christlichen Ungarns angesehen wird. Er gilt als wichtigster Heiliger des Landes. An diesem Augusttag endeten, wie wir hörten, zu Ostblockzeiten die Schulferien einheitlich und dann war am Balaton Schluss mit der Touristenbelustigung! So wie heute zum großen Teil auch noch.
Und trotz aller Veränderungen in der Zeit nach der Öffnung ist der Stallgeruch des Ostblocks noch nicht abgeschüttelt. Denn, obwohl das Wetter in dieser Gegend Ungarn bis in den Oktober hinein sehr warm, bis 23 Grad, sein kann und zum späten Baden verleitet, werden am Balaton am 20. August die Bürgersteige hochgeklappt und Fressbuden und Kirmesgeräte geschlossen. Dieser Tag ist der Nationalfeiertag, er wird zu Ehren von König Stephan I. gefeiert, da er als Gründer des christlichen Ungarns angesehen wird. Er gilt als wichtigster Heiliger des Landes. An diesem Augusttag endeten, wie wir hörten, zu Ostblockzeiten die Schulferien einheitlich und dann war am Balaton Schluss mit der Touristenbelustigung! So wie heute zum großen Teil auch noch.
Übrigens: Die Ansichtskarten, die ich nach Nummer ziehen und vor den Schaltern Schlange stehen, in einem nach Einlass zugesperrten, kassenähnlichem Raum, der Post anvertrauten, sind nun schon gute drei Wochen unterwegs und wir sind gespannt, ob sie überhaupt den Weg nach Hause finden.
Auch noch ein Relikt aus früheren Zeiten ist der Abfallkorb auf voranstehendem Bild, der kein Unikat ist.
Umgang mit dem Tod
Dem größte oder zweitgrößten natürlichen Thermalsee der Welt, den man in Hévíz zum Baden besuchen kann und der sich alle paar Tage völlig regeneriert, werden seit alters her Heilkräfte zugeschrieben. Schon die Römer kannten diesen Ort und die Legende erzählt von Flavius Claudius, vermutlich 331 in Konstantinopel geboren und späterer römischer König, soll angeblich, so sagt eine Legende als Kind von einer Amme im See gebadet worden sein, weil er verkrüppelt war, evtl. Kinderlähmung hatte. Er wurde vollständig gesund und übernahm später sein Herrscheramt. Im See kann ganzjährig gebadet werden, im Winter hat er 22 bis 24 Grad, im Sommer mehr als 34 Grad. Die Gegegend in der der er liegt, ist lieblich und klimaverwöhnt, deshalb wächst der Wein dort auch gut.
Wenn ich zu diesem See gehe, der in einer idyllischen Landschaft liegt, den ein türmchenbekröntes Badehaus ziert und in dem man mit wunderschönen tief lila gefärbten Seerosen um die Wette schwimmen kann, erfreut sich meine Seele. Das geht wohl den meisten so, die dieses Stück Natur bewundern dürfen.
Die Menschen, die ihn aufsuchen, entsprechen nun eher nicht dem allgemeingültigen Schönheitsideal. Viele ältere Menschen suchen hier Linderung für ihre Skelettbeschwerden oder anderen massiven körperlichen Beeinträchtigungen. Jüngere, die Rheuma oder andere Krankheiten haben sind hier auch zu finden.
Ich habe seit ich hier bin, von einigen Menschen gehört, wie sehr ihnen das Wasser geholfen hat. Seit vielen Jahren nicht zu therapierende Schmerzen, erfuhren deutliche Besserung, sogar Bandscheibenoperationen konnten verhindert werden.
Mich erinnert der Hype um den See an ein altes Bild, es heißt: Der Jungbrunnen ist der Titel eines Gemäldes von Lucas Cranach dem Älteren von 1546. Das Bild stellt ein Bad dar, in dem von der einen Seite gealterte Frauen ins Wasser steigen, das sie auf der anderen Seite verjüngt verlassen. Das Bild hängt er Gemäldegalerie Berlin.
Der Andrang auf das Seeschwimmbad in Héviz ist enorm, viele Deutsche kommen schon seit Jahren mindestens zweimal auch zur Vorbeugung hierher.
Bevor wir nach Ungarn fuhren, erzählten uns einige Menschen von ihren Hevizerfahrungen und wie gut die Wirkungen des Sees seien. Natürlich, so flüsterten sie, würden auch so einige Menschen übers Jahr im See sterben. Das hörte ich so, aber es hat keine wirkliche Bedeutung, weil ich es sich nicht vorstellen konnte.
Auch in Ungarn, vor Ort, hörten wir, dass es immer wieder auch Todesfälle gäbe. Nun gut, so richtig kommt so etwas nicht an einen ran. Es ist ein öffentliches Bad mit vielen Bademeistern und Aufsichtspersonal.
Gestern über Mittag bin ich zum See gegangen, um zu schwimmen. Eine Drehtür und zwei Seitentüren führen auf den See hinaus. Eine Tür und die Drehtür waren mit rotem Band und Sichtschutzwänden abgesperrt. Die Badewilligen wurden aufgefordert, die letzte Seitentür als Zugang zum See zu benutzen. Als ich aus dieser Tür heraustrat, sah ich durch das Glas der anderen Türen zwei Füße auf einer Plastikfolie aus dem Absperrbereich herausragen. Offensichtlich war das gerade ein Mensch, der im See gestorben ist. Nun musste ich die Wirklichkeit der Gefährdung an mich heranlassen. Der See hat offensichtlich nicht nur heilende sondern auch vernichtende Kräfte, d.h. er kann eine Gefahr für Herz- und Kreislaufpatienten und Nicht-Schwimmer darstellen, er ist zum Teil 34 Meter tief.
Noch erstaunlicher für mich, war der Umgang mit dem Tod. Es war keine Polizei vor Ort, die Tote wurde in einen Seitenbereich transportiert, der auch wieder nur durch einen Sichtschutz abgetrennt war. Ihr Transport war erst nach dem Badebetrieb vorgesehen. Das ist sehr ungewöhnlich, ich weiß nicht, ob das in Deutschland so möglich wäre. Die Würde der Toten, war sie so gewahrt worden, wie wird mit den Angehörigen verfahren? Das sind Fragen die mich beschäftigen. Auf jeden Fall, so kam es mir vor, gehören Todesfälle zum Alltagsgeschäft, denn „The Show must go on….
Land und Leute
Ein emsiges Treiben ist in den Frühlingstagen in Hévíz wahrzunehmen, Straßen werden ausgebessert, Felder bestellt, Häuser ausgebaut, Gärten gepflegt und Hecken geschnitten.
Die Menschen in Ungarn wirken sehr, sehr fleißig. Die Landbevölkerung ist tagaus, tagein beschäftigt, mit zum Teil einfachen Gerätschaften, den Acker zu bestellen und die Erzeugnisse zu vermarkten. Bei allen spielt der Nutzgarten eine wesentliche Rolle zur Ernährung der Familie. Auch Menschen in Lohn und Brot in diversen Firmen leben von dem, was übers Jahr in ihren Gärten wächst. Die Großmutter, die oft vom Familienunterhalt der Jüngeren mit lebt, verkauft die Produkte auf dem Markt.
Die Pfarrerin der ungarisch-reformierten Gemeinde z. B. verdient umgerechnet: 350€, in Ungarn heißt die Währung Forint. 1€ entspricht ca. 300 Ft. Die Grundnahrungsmittel sind günstig, aber darüber hinaus kann sich dann eine normale Familie nicht viel leisten.
Der tägliche Existenzkampf führt aber nicht zu verbissenen und unzufrieden Gesichtern. Viele Menschen sind in Ungarn sehr freundlich und zuvorkommend. Bevor ich die Stelle hier angetreten habe, wurde mir unter der Hand zugeflüstert, dass die Deutschen in diesem Land auch sehr nett seien und mit einem Augenzwinkern versehen, hieß es weiter, dass das das wohl von den ungarischen Einwohnern abgefärbt hätte. Ob das stimmt, weiß ich nicht, aber es ist wohltuend und fühlt sich gut an, von, in der Mehrzahl, freundlichen Menschen umgeben zu sein.
Aus meiner Sicht hat nicht nur die Liebenswürdigkeit abgefärbt, der Fleiß der deutschen Bewohner von Ungarn, steht der ungarischen Bevölkerung in nichts nach. Auch sie halten ihre Häuser akribisch in Stand und pflegen ihre Nutzgärten. Da werden Hühner gehalten und riesige Rankgitter für Kiwi-Pflanzen gebaut.
Ähnlich einladend stellt sich für mich als Pfarrerin nun auch der Gottesdienstbesuch dar, die Kirche ist immer voll. Wo hat man das schon. Einheimische und Touristen, die zum Teil schon über Jahre immer wieder in den deutschen Gottesdienst kommen und sogar Grüße aus der Heimat, sei es Würzburg, Speyer oder Dessau bestellen sollen. Aus voller Kehle werden die Lieder geschmettert und das Amen voll Inbrunst nach jedem Gebet gesprochen. Nach dem Gottesdienst wird Gemeinschaft beim Kirchencafé vor der Kirchentür gepflegt.
„Beim ZDF sitzen Sie immer in der ersten Reihe…."
25 Jahre jung ist die Stadt Hévíz 2017 geworden. Eine Gemeinde mit etwas über 4000 Einwohner hat damals die Stadtrechte verliehen bekommen.
Groß gefeiert wurde das Ganze am 1. Mai. Die Delegationen der Partnerstädte aus Deutschland, Pfungstadt, aus Kroatien und Polen waren gekommen, um an diesem sonnigen Tag mitzufeiern.
Ein Festakt eröffnete das üppige Programm, das open air Popveranstaltungen und Operettendarbietungen für Bewohner und Kurgäste vorhielt. Für Essen und Trinken war in aufgebauten Buden gesorgt: gut ungarisch mit viel Fleisch, warmer Blutwurst, Leberwurst, Entenschenken, Schweinebraten etc.. Alle Sorten von zubereiteten Kartoffeln, sowie das obligatorische Rot- und Sauerkraut waren zu haben.
Spannend war die professionelle Gestaltung des Festaktes auf dem Rathausplatz. Souverän wurde durch die Veranstaltung moderiert, sie begann mit dem inbrunstvollen Ansingen der Nationalhymne. Danach wurden die Geistlichen des Ortes gebeten, Worte und Gebete vorzutragen. Alle waren da: Der ungarisch-lutherische Kollege, die ungarisch-reformierte Kollegin, der römisch-katholische Pfarrer und ich als Vertreterin der deutschen-evangelischen Kirche.
Erstaunlich für mich war, dass wir erstens mit den Honoratioren in der ersten Reihe saßen und zweitens, dass der Segen der Kirchen die Veranstaltung eröffnete und dann erst der Vertreter des Landes und dann der Bürgermeister sprachen. Das bin ich aus Deutschland so nicht mehr gewohnt. Da werden die Geistlichen in die zweite Reihe gesetzt und sie müssen sich mit ihrer Ansprache ziemlich weit unten im Programm einsortieren.
Religion und Religiosität hat in dieser Stadt, ich denke, es ist in vielen Gebieten Ungarns so, einen anderen Stellenwert als in Deutschland. Mit Ehrerbietung und Achtung begegnet man der Kirche und den Menschen, die sich darin engagieren. Es herrscht ein anderes Klima, Glaube steht nicht am Rand oder wird misstrauisch beäugt, er wird positiv konnotiert.
In Deutschland begegnet mir häufig Unsicherheit und Zurückhaltung, wenn mein Beruf als Pfarrerin bekannt wird, dann heißt es oft: „Das ist nicht so meins!“ Was immer dieser Satz auch heißen mag. Oder es entstehen Diskussionen über Kirchenverfehlungen und Steuermittel. In Ungarn wird gesagt: “Oh, wie schön, dass ist ein wichtiger Dienst!“
Amerika first!?
Mein Schwager und mein Mann beteiligen sich an der von Präsident Donald Trump losgetretenen Debatte: Amerika first, indem sie einen Wettstreit begonnen haben, um zu beweisen, dass es: Germany first, oh Pardon, Deutschland als erstes, heißen muss. Und so tauschen sie „urdeutsche“ Produkte aus, die die Welt verändert haben.
Dies alles ist nur mit einem Schmunzeln zu verstehen und versucht mit Donald Trumps unangemessenen Tönen, kreativ und gelassen umzugehen. Also gehört hier in den Text eigentlich ein Smiley – damit es wieder deutsch wird?!
Nun ist mir in Ungarn die andere Qualität nationaler Produkte aufgefallen. Der Käse „Trappista“ ist ein Kuhmilcheinheitskäse, wenn man ihn täglich isst, ist er auf die Dauer schon sehr eintönig. Sicher kann man hier auch französischen oder deutschen Käse kaufen, ich wollte aber in diesem Land auch das essen, was man hier produziert. Meine Erkundungen zeigten, dass es vor der Ostblockzeit eine rege Ziegen- und Schafkäseproduktion gab bis es zur einheitlichen Käsegestaltung kam. Heute stellen junge Leute in kleinen Mengen wieder Käse auf dem Land her und verkaufen ihn auf Märkten. Soweit zum Käse.
Das einheimische Toilettenpapier erinnert noch sehr an das DDR-Krepp. Und so ähnelt auch das Küchenpapier an vergangene Zeiten. Im Buch: In Zeiten des abnehmenden Lichts, wird eine Familie beschrieben, die fest in den kommunistischen Strukturen verwurzelt war und nun erleben musste, wie der Enkel, wie der Sohn im Westen seinen Weg geht. Die ständig kochende russischstämmige Mutter lässt kein gutes Wort am Westen, nur eine Erfindung des Westens findet sie wirklich gut. Und das ist das Küchenpapier!
Darauf stürzte ich mich in die Recherche: Küchenpapier. Wer erfand es, wann und wo? Und siehe, es wurde in Amerika erfunden und in den ersten Zügen in Deutschland produziert.
Der Wettstreit zwischen Amerika und Deutschland findet im Küchenpapier zu einer friedlichen Koproduktion.
Besonderheiten
Außer dem größten Thermalsee der Welt, der Heilwasser - ja, Wunderwasser - enthält, viele Menschen berichteten uns, dass Operationen durch das Baden in ihm auf Dauer verhindert werden konnten, gibt es noch andere Besonderheiten in Hévíz und Umgebung.
Es gibt Geschäfte für den täglichen Bedarf, Kleiderboutiquen, Cafés, keine! Reinigung und eine Fülle an Zahnarztpraxen, hier Zahnklinik genannt. Unglaublich wie viele untadelige Gebisse einem auf Reklametafeln anlachen. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass es einen Zahnarzttourismus gibt. Etliche Deutsche kommen eine Woche nach Ungarn und in diesem Zeitraum wird das Gebiss repariert und saniert, vor allem Implantate sind der Renner. Innerhalb von 5 Tagen ist eine große Zahnbehandlung garantiert abgeschlossen und sie ist um mindestens 1/3 preisgünstiger als in Deutschland. Die Zufriedenheit mit der Behandlung, dass wissen wir noch aus Deutschland, ist hoch. Denn unser Chorleiter, meine Tenniskollegin und viele andere, rückten damit heraus, dass sie sich ihre Zähne in Ungarn haben machen lassen, als sie erfuhren, dass wir nach Héviz gehen würden.
Damit nicht genug. Zur evangelisch-lutherischen Kirche bekennen sich ca. drei Prozent, zur reformierten (calvinistisch) 16, zur katholischen 52. Die Gemeinde in Héviz gehört zur evangelisch-lutherischen Kirche. Auch kleine Konfessionen können imposante Kirchen besitzen. In Siófok, in der Stadt, in der es den Ballermann vom Balaton gibt, der Reiseführer bezeichnet sie als Sommer-Partyhauptstadt, steht eine solche. Sie wurde in großen Teilen von der finnischen Partnergemeinde bezahlt, die in den 90er Jahren nicht mitansehen konnten, dass die Schwestergemeinde in Siófok keinen Kirchenraum hatte. Die Liturgie, was die Finnen bis heute bemängeln, ist kein lutherische, so wie wir sie auch das Deutschland kennen, sie entspricht eher einer reformierten. Das ist verwunderlich und wird vom Kirchenvorstand mit der Dominanz des Katholizismus begründet, d.h. eine traditionell lutherische Liturgie würde der katholischen zu sehr gleichen.
Ungarisches Essen
Ungarisches Essen ist anders. Aber wie anders? Das zu beschreiben fällt mir nicht leicht. Einmal kommt es in der Regel nicht so heiß auf den Tisch wie in Deutschland, etwas wärmer als lauwarm, gewöhnt war ich dies bisher nur aus südlichen Ländern wie Griechenland. Dann ist es eine andere Zusammenstellung von Beilagen mit Fleisch oder Fisch und andres mehr auf dem Teller.
Bei Gesellschaften oder Familienfeiern gibt es große, überbordend gefüllte Teller, auf denen sich Pommes frites, Kartoffeln, Kroketten, Reis befinden, darüber türmt sich Geflügel-, Schweine- und Rindfleisch und die obligatorische Entenkeule mit Rotkraut, die es in diesem Teil von Ungarn immer und überall gibt. Das alles befindet sich auf einem Teller. Sich von diesem großen Teller zu nehmen, z.B. ein Stück von der Keule abzutrennen und nach den Kroketten zu angeln, das macht eine Tischrunde sehr kommunikativ. Unwillkürlich werde ich an Mecki im Schlaraffenland erinnert, dem alle möglichen Speisen in den Mund flogen.
Beim letzten Restaurantbesuch stand als Tagesgericht Fischsuppe auf dem Reiter vor dem Gasthaus. Alle Erinnerungen an leckere mediterrane Fischsuppe belebten meine Geschmacksnerven. Ich bestellte also Fischsuppe. Sie sah recht dunkel aus. Ich rührte sie um und probierte, ein leichter Schlammgeschmack, es war nicht alleine der Anblick gewesen, der den Geschmack herbeiführte, offenbarte mir, die Zutaten, nämlich Karpfen und evtl. andere Flussfische. Eigentlich hätte ich mir das denken können, Ungarn liegt nicht am Meer, die „eterem“, die Restaurants, die wir besuchen sind Familienbetriebe und sie kochen in ihren Küchen regional. Eine solche Fischsuppe hatte ich noch nicht gegessen, sie war für mich gewöhnungsbedürftig. Als ich anderen Deutschen davon erzählte, mussten diese schallend lachen, fast allen war es schon so ergangen wie mir. Der Rat hieß: Hier nie Fischsuppe!
Gelobtes Land?
Den Kindern Israel hatte Gott im Alten Testament ein eigenes Land versprochen, das sie und ihre Tiere ernähren würde. In unseren Sprachgebrauch ist der Begriff dafür, nämlich: „gelobtes Land“ eingewandert.
Für wen ist welches Land das ersehnte, gelobte Land? Eine junge Familie in unserem Haus stammt aus der Ukraine. Sie leben in Ungarn, weil es hier für sie Arbeit gibt, und einer von ihnen etwas Ungarisch spricht. Er holt russische Gäste von Flughafen ab und bringt sie in ihre Hotels. Sie arbeitet in einem Hotel im Wellness Bereich. Ihr Kind hat einen Ganztagskindergartenplatz. Für diese jungen Menschen ist Hévíz das gelobte Land.
Ein ganz anderes Szenario: Sie ist Ungarin spricht Deutsch und arbeitet als Gästebetreuerin in einem Hotel. Er, auch Ungar, arbeitet bei der Bank. Beide haben wir kennengelernt, weil sie den Multimediaabend in der Kirche über der Jakobsweg besuchten. Ihr zweites Ziel ist es, die große Wanderung nach Santiago de Compostela zu machen, ihr erstes Ziel ist es, nach Österreich und dann nach Deutschland auszuwandern, denn dort gibt mehr mögliche Arbeitsplätze, die besser bezahlt werden. Sie möchte eine gesicherte Zukunft für sich.
Und dann gibt es da die Lehrerin in Deutschland, die genug vom Stress hat und etwas für sich tun will, sie liebäugelt mit dem Gedanken nach Hévíz zu ziehen. Die Überlegungen sind schon recht konkret, Häuser wurden angeschaut etc..
Gelobstes Land!? Für die beschriebenen Menschen bedeuten unterschiedliche Länder das Paradies.
Das gelobte Land ist ein Synonym für das, was
für den einzelnen Menschen das Gewünschte, das Richtige ist, und das kann
offensichtlich bei jedem ganz anders sein.
Verständigung
Ein großes Thema ist die Verständigung. Denn die Sprache ist eine sehr schwierige. Sie ist in gewisser Weise einzigartig und kaum ableitbar. Einige, die sich schon seit 40 Jahre bemühen, die ungarische Sprache zu erlernen, halten sich immer noch für Anfänger. Sie ist in der Tat eine große Herausforderung. Das führt zu dem spannenden Phänomen: Einige, die Sprachkurse gemacht haben und das Ungarisch erlernen, achten bei jedem Wort panisch darauf, dass der andere es auf jeden Fall richtig ausspricht, auch, wenn er des Ungarischen gar nicht mächtig ist. In der ungarischen Schreibschrift wimmelt es an Akzenten, kaum überblickbar für Sprachunkundige – dem, der sich nur etwas mit der Sprache beschäftigt hat, so kommt es mir vor, sind sie heilig.
Ungarisch lernende Deutsche in Hévíz sind ein für mich wie ein vermintes Gebiet Bitte absperren! Sie erwarten zu viel vom Sprachunkundigen.
Hingegen begegnen mir viele Ungarn, die mit Gelassenheit ertragen, was ihnen da an ungarischen Worten genannt wird und freundlich mit rätseln, was es wohl heißen soll- uns sie antworten sowieso lieber auf Deutsch, weil sie es besser beherrschen.
Außer den gut deutsch sprechenden Menschen, gibt es viele angelernte Kräfte, wie z. B. im Service oder bei Kuranwendungen. In ihrer Ausbildung wurde nur das deutsche Vokabular, was für den jeweiligen Einsatz bei der Arbeit benötigt wird, trainiert. Das fällt in der Regel nicht weiter auf - allerdings wurde unsere Hündin Suri zuletzt von einer ungarischen Frau, die im Restaurantservice arbeitet, für einen Tag betreut und gehütet. Sie sprach mit Suri. Anstelle von „sitz“ sagte sie zu ihr: „Bitte nehmen Sie Platz, Frau Suri“ - und was glauben Sie, geschah? Unsere Suri, sonst wenig beflissen Befehlen nachzukommen, setzte sich brav auf ihren Hintern.
Das lehrt mich: Miteinander sprechen, sich verständigen, das geht doch, wenn man nur will, von Mensch zu Mensch und von Mensch zu Tier.
100 Tage: Kurgäste- und Tourismusgemeinde Hévíz
Politiker werden nach 100 Tagen gefragt, was sie bisher bewirkt haben und wie die Zusammenarbeit im neuen Amt klappt. Ein erstes Resümee wird gezogen. Warum sollen das nicht auch die Pfarrerin und ihr Mann tun? Denn Ende Juni erreichten wir mit unserem Aufenthalt in Hévíz dieses, übertrieben ausgedrückt, magische Datum.
Ein neues Pfarrerehepaar und eine Gemeinde mit gewachsenen Strukturen, da treffen zuerst einmal unterschiedliche Erwartungen und Befürchtungen aufeinander. Man muss sich aneinander gewöhnen. Das kann durch verschiedenen Herangehensweisen geschehen. Man kann sagen, jetzt muss sich die Gemeinde schon wieder an eine neue Pfarrerin gewöhnen oder man kann sich sagen, dass es schön ist, dass jemand kommt. Man kann sich vornehmen, hinzuschauen, was er oder sie anders macht. Diese offene Haltung aufzubringen, war für manche nicht ganz leicht. Doch wie es im Leben so ist, man gewöhnt sich aneinander.
Antoine de Saint-Exupéry erzählt wie der kleine
Prinz und der Fuchs sich aneinander annähern. Sie begegnen sich und sie sind
sich noch fremd. „Komm und spiel mit mir", schlug ihm der kleine Prinz
vor. „Ich bin so traurig ..." „Ich kann nicht mit dir spielen", sagte
der Fuchs. „Ich bin noch nicht gezähmt!" „Ah, Verzeihung!" sagte der
kleine Prinz. Aber nach einiger Überlegung fügte er hinzu: „Was bedeutet das:
Zähmen?" „Zähmen, das ist eine in Vergessenheit geratene Sache",
sagte der Fuchs. „Es bedeutet: Sich vertraut machen“. „Vertraut machen?"
fragte der kleine Prinz. „Gewiss", sagte der Fuchs. „Du bist für mich noch
nichts als ein kleiner Knabe, der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht.
Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebenso wenig. Ich bin für dich nur
ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden
wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für
dich einzig sein in der Welt …"
Es ist nicht leicht, sich aneinander zu gewöhnen, das zeigt die Geschichte, es ist aber der Mühe wert, denn nur mit Zeit, Respekt und Verstehenwollen kann man sich einander nähern. Ich meine, dass wir in Hévíz unseren Anfang auf diese Weise gestaltet haben, dass wir gefragt haben: „Was meint der andere, was will er?“.
Das gemeindliche Binnenklima ist manchmal etwas ängstlich und wenig mutig. Da wünsche ich mir, dass wir als Christen Herausforderungen annehmen und mutig vorwärts gehen ohne Scheu vor Veränderungen. Niemand hat das Recht, uns Angst einzujagen. Daran können wir noch arbeiten. Aber wir haben schon erfahren und gelernt, dass wir hier in Hévíz jemand sind, den man ernst nimmt, den man zum Partner haben will. Die Kontakte zur Stadt, den Konfessionen und anderen Institutionen sind sehr gut. Auch neue überraschende und hilfreiche Netzwerke wurden erschlossen, da gibt es die eine, die Kontakte zu den Geschäften hat, da gibt es die andere, die uns zur Presse vermittelt, da gibt es den anderen, der sich im Bereich des Balaton hervorragende auskennt und uns hilft.
Es ist schön in Hévíz, es macht Freude, in gutbesuchten Gottesdiensten zu predigen. Das Feed-Back ist liebenswert und sehr wertschätzend. Da gibt es viele, den Gemeindegliedern altbekannte, Gesichter, die seit Jahren während ihres Urlaubs in den Gottesdienst kommen und da gibt es neue Gesichter von Menschen, die nach Hévíz und Umgebung gezogen sind bzw. vorhaben an diesen Ort umzusiedeln und die nach Gemeinschaft suchen. Die Mitarbeitenden ziehen an einem Strang, die gemeinsame Arbeit bereitet allen Freude und es macht Spaß zusammen - es ist gut hier zu sein. Vielleicht gibt es noch einige, die Lust haben in diesem fröhlichen Team mitzuarbeiten? Wir würden uns freuen!
Miteinander lernen wir, die Gemeinde weiterzuentwickeln mithilfe des Geistes, der uns voran bringen will. Wir hoffen und arbeiten daran, noch mehr interessierte Menschen zu erreichen und ein Stück Leben mit ihren Freuden, Sorgen und Nöten zu teilen. Es aber geht nicht um ein blindes Voranschreiten, es geht um mehr, es geht darum, das, was wir erfahren und erleben, durch unseren Glauben einzuordnen und zu verstehen. Dann reift aus der Erfahrung die Erkenntnis, die uns den Weg in die Zukunft weist. Besonnen und doch mutig, einhaltend und auch vorwärtsstrebend, nachdenklich und spontan, fromm und aufgeschlossen - der gute Weg miteinander liegt nicht im entweder - oder, sondern im sowohl - als auch. Klar gibt es auch Grenzen, da endet das sowohl - als auch, aber auch diese müssen im Miteinander gefunden und gesetzt werden.
Uwe und ich erlauben
uns, mit diesen Überlegungen einen mutigen und hoffungsvollen Blick nach vorne,
in eine erfreuliche gemeinsame gottbehütete Zukunft zu wagen!
Innovatives
Dass in Ungarn Spargel und Erdbeeren angepflanzt werden und dass es im Sommer sehr, sehr heiß werden kann, ist Vielen in Deutschland nicht bekannt. Ein Verwandter von mir, schrieb mir, dass er den ersten Schwetzinger Spargel schon im April gekauft hätte und dass wir Spargel in Ungarn wohl nicht kaufen könnten. Das war ein Irrtum. In Ungarn gibt es beides: Spargel und Erdbeeren. Nun ist die Spargelzeit sowohl in Deutschland als auch in Ungarn vorbei.
Der Sommer zieht übers Land und beschert uns in Ungarn Temperaturen von 38 Grad, die aber im weiteren Verlauf dieser Jahreszeit auf 45 Grad steigen können.
Innovativ sind deshalb Kühlungsbögen, die kaltes Wasser vernebeln und für Abkühlung und Spaß an einigen Stellen im Ort sorgen. Im immer heißen Spanien habe ich einen solchen Touristenspaß noch nicht entdeckt.
An Innovativem gibt es noch zu vermelden: die intelligenten Steckdosen. Wenn ich einen Stecker in die Steckdose stecke, um den Staubsauger in Betrieb zu nehmen und ich nach kurzer Zeit diesen entfernen will, um eine andere Steckdose aufzusuchen, gelingt das problemlos ohne große Kraftanstrengung und unangenehmem Ziehen an der Schnur. In dem Augenblick, indem der Stecker in die Steckdose kommt, geht ein flexibler Teil der Halterung mit und schubst beim Lösen des Steckers diesen heraus - genial!
Preiswertes Leben in Ungarn
Das Leben in Ungarn ist schön. Die Landschaften, die Natur bezaubern und gekrönt wird der Alltag durch die reichlich scheinende Sonne.
„Hier bin ich Mensch, hier kann ich`s sein“, dieser Ausruf drängt sich auf die Lippen.
Erfreulich kommt hinzu, dass die Lebenshaltungskosten, die Mieten, das Benzin, praktisch alles, bis auf Weniges preiswerter sind als in Deutschland. Allerdings nehmen das in diesem Jahr nicht viele deutsche Urlauber wahr. Wo sind die deutschen Gäste? Ich spekuliere, dass die politischen Verhältnisse vielleicht Einige abhalten, nach Ungarn an den Plattensee in Urlaub zu fahren, aber mit dieser Antwort bin ich noch nicht zufrieden. Zieht nur das Meer Menschen in den Ferien zu sich?
Zurück zum preiswerten Leben, denn da gibt es Ausnahmen. Etwas entspricht nämlich den Preisen in Deutschland. Eigentlich sind auch die Lohnkosten niedrig, aber die Preise bei der Krankengymnastik, bei der Massage und ähnlichen Behandlungen stimmen mit deutschen Maßstäben überein. Erklären kann ich das Phänomen nicht. Aber ich nehme an, dass es damit zu tun, dass viele Krankenkassen die Behandlungen in Ungarn bezahlen und dass damit die Preise hier vor Ort sich nach dem richten, was möglich ist, also nach dem, was die Kassen in Deutschland bezahlen.
Nicht so viele Touristen sind zu verzeichnen, wunderbar ist es, dass unsere Gottesdienst trotzdem sehr gut besucht werden. In welcher Kirche in Deutschland sind im Schnitt am Sonntag 60 Personen zu verzeichnen?
Deutschsprachige Menschen suchen und finden!?
Ein buntes Völkchen an Touristen, Kurgästen, Besuchern aus Deutschland bevölkert den Balaton und Bad Hévíz. Wenn man meint, bei 39 Grad würde niemand in den Thermalsee springen, der es auch auf 32 Grad Wassertemperatur bringt, irrt. Knallvoll ist der See und das schön angelegte Geländen um ihn herum.
Es sind deutschsprachige Menschen in der gesamten Gegend und unsere Aufgabe als Tourismusseelsorger ist es, diese Menschen zu finden, damit sie wissen, dass es uns gibt und was wir ihnen bieten können.
Hier helfen vor allem strategische Überlegungen. In den Monaten April bis Juni finden wir viele unserer Zielgruppe in den Hotels, die flächendeckend vorhanden sind. Im Juli und August leben in den Hotels vorwiegend, ungarische, russische und slowenische Urlauber und die Deutschsprachigen? Sie sind vorhanden, immer wieder sieht man es an den Nummernschildern der Autos - wo sind sie? Auf den Campingplätzen und in Ferienwohnungen. Wir erreichen ihre Autos auf den regionalen Märkten und vor den Supermärkten und stecken ihnen eine kleine Information unter den Scheibenwischer. Natürlich hängen wir auch Plakat an die Infowände der Campingplätze.
Die Bewerbung der Gottesdienst und Veranstaltungen ist ein mühsames aber auch lohnenswertes Unterfangen, denn es gibt immer noch Menschen, die seit über 20 Jahren in diese Region kommen und nicht wussten, dass es das Angebot eines deutschsprachigen evangelischen Gottesdienstes gibt. So ein bisschen erinnert uns unsere Arbeit an das biblische Bild vom „Menschenfischer“, zumindest insofern, dass wir unsere Informationsnetzte auslegen.
Abschiede
„Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere“, so heißt es. Die deutsche Gemeinde in Hévíz wird im Mai 2019 zwanzig Jahre alt.
Ihre Gründerväter und -mütter kamen im Alter von ungefähr sechzig Jahren nach Ungarn. Oft haben sie, während sie noch berufstätig waren, ihren Urlaub, die Ferien in der Gegend von Hévíz verbracht und häufig Eigentum erworben. Sie standen, als sie vollständig nach Ungarn übersiedelten, wie man etwas flapsig sagt, „noch voll im Saft“.
Ihre Ideen und ihre Energie setzen sie für die kirchliche Arbeit ein, d.h. am Sonntag sollte ein Gottesdienst in deutscher Sprache stattfinden, der die deutschsprachigen Menschen in der Umgebung sammelt und ein Stück Heimat und vor allem Gemeinschaft bietet. Das war keine einfache Aufbauarbeit! Ein Raum musste gefunden werden und Menschen, die zu einem Gottesdienst kommen und ein Prediger, der der deutschen Sprache mächtig war.
Aber, wo ein Wille ist, das ist auch ein Weg. Der Geist trieb die Menschen voran und sie besuchten deutsche Stammtische und warben für den geplanten Gottesdienst. Und ein Versammlungsraum wurde gefunden und ein deutschsprechender ungarischer Pfarrer der evangelisch-lutherischen Gemeinde und nun konnte es losgehen – und siehe es gelang! Viele kamen, Freundschaften entstanden, gegenseitige Hilfe wurde selbstverständlich – eine Gemeinde entstand. Und dann wurde 1998/99 die reformierte Kirche mit Unterstützung der Lutheraner gebaut und die deutsche Gemeinde erhielt Gastrecht. Der Stifter und Ideengeber der Gemeinde setzte sich bei der EKD dafür ein, dass ein deutscher Pfarrer für mehrere Monate nach Hévíz abgeordnet wird, auch das glückte. Seit dieser Zeit kommen die hier Ansässigen, die Touristen, die Kurgäste in die Kirche. Es sind Menschen dabei, die regelmäßig seit 16 Jahren zweimal im Jahr zum Heilsee und dann auch sonntags zum Gottesdienst pilgern, so dass ihnen die Kirche in Hévíz zur zweiten Heimat und die Menschen hier vor Ort zur Gemeinde geworden sind.
Und nun ist für viele, die nach Ungarn gegangen sind, die Zeit des Abschiedes und der Abreise angebrochen. Sie haben ein Alter erreicht, dass seinen Tribut fordert, achtzig plus, und sie sind zum Teil krank oder brauchen medizinische Versorgung und Pflege. Denn, wenn es schwierig wird im Leben, spielt die Sprachbarriere eine große Rolle. Wie kann dem anderen vermittelt werden, was ein alter, gebrechlicher Mensch will? Nach allem, was ich bisher in Kenntnis gebracht habe, gibt es auch keine palliativmedizinische Versorgung wie in Deutschland. Also: Die Zelte werden abgebrochen, die Häuser verkauft, Wohnungen in Deutschland gesucht – keine einfache Zeit der Abschiede.
Von 23 eingetragenen Mitgliedern, die Gemeinde in Ungarn ist wie viele Auslandsgemeinden als Verein organisiert, sind vier um die sechzig Jahre alt, die meisten anderen Ende siebzig und älter. Auch von den genannten „jüngeren“ ist einer schwer krebskrank.
Mein Mann und ich kommen in schöne Häuser, die nach Aufbruch aussehen, halb gepackte Kartons sind notdürftig zum Seite geräumt und es riecht nach Abschied. Die Möbel, die in der Regel im Haus belassen werden, scheinen „nehmt uns mit“ zu rufen. Wie geht es weiter? Das ist die Frage, die auch für die Arbeit der evangelischen Kirche in Hévíz gestellt werden muss? Wie geht es wohl weiter, ist die bange Frage, die sich die Rücksiedelnden stellen? Gibt es noch etwas in Deutschland, was für mich Lebensqualität beinhaltet? Gibt es noch eine irdische Zukunft? Können die Schmerzen gelindert werden oder das Sterben erleichtert?
Was ist passiert, dass in der Gemeinde keine Menschen „nachgewachsen“ sind? Können wir relativ kurzfristig Neue gewinnen und motivieren? Wohin wollen wir mit dieser Gemeinde? Jeden Sonntag ist volles Haus – aber das alleine reicht nicht, die Arbeit vor Ort braucht Stabilität und Infrastruktur. Diese Überlegungen haben meinen Mann und mich bewegt und wir sind zum Entschluss gekommen, auch im nächsten Jahr in Hévíz Dienst zu tun. Wir hoffen, dass dieses Zeichen zum Leuchtfeuer wird, von dem sich Viele, d. h. der ein oder die andere anstecken lässt, um mit zu strahlen in diesem ungarischen Bereich der Welt: „Strahlen brechen viele aus einem Licht, unser Licht heißt Christus“ (EG 268).
Stupa und Gegenstupa - oder - friedliche Koexistenz?
In Zalazsántó gibt es ein buddhistisches Zentrum mit einem schönen Meditationsraum und einer Stupa.
Der Friedensstupa ist ein kegelförmiges hohes Gebäude in dem im oberen Bereich ein goldener Buddha thront. Über drei Ebenen gelangt man hinauf. Als er 1992 gebaut wurde, war er die größte Stupa Europas. Der Dalai-Lama hat diesen Berg auf dem er steht als heiligen Berg ausgesucht.
In ihm werden buddhistische Schriften aufbewahrt und ein 24 Meter hohe Lebensbaum soll in seiner Mitte wachsen. Das Innere ist für Gäste nicht zugänglich. Von diesem Gebäude soll Kraft zum Frieden und Gutes ausgehen.
Ein Tal weiter, auf dem Berg gegenüber gibt es eine kegelförmige Kapelle, die jemand in Eigeninitiative errichtet haben soll. Auch diese ist weiß und freundlich ausgestattet, sie kann betreten werden und beim Singen überzeugt die tolle Akustik.
Beide Gebäude sind beeindruckend. Sowohl vom Berg, auf dem der Stupa steht, als auch vom Berg, auf dem die Kapelle steht, sieht man in der Ferne das jeweils andere Bauwerk. Ob die Errichtung der Kapelle als friedlich Koexistenz gedacht ist, oder als Konkurrenzsymbol ist nicht zu erfahren. Ich möchte diese Bauten als Zeichen dafür verstehen, dass die Weltreligionen gemeinsam für und in der Welt das Gedächtnis für Spiritualität aufrecht erhalten und sich für den Frieden einsetzen.
Begeisterung
Die Gegend um Hévíz hat viel mit der Pfalz gemeinsam: Hier wächst der Wein. Ende August beginnt die Ernte, allerdings sind die Trauben so groß wie Kirschen. Das beeindruckt mich sehr. So große Trauben kenne ich aus Südtirol. Hier wächst wirklich alles wie verrückt, auch kleine Wassermelonen sind im Garten zu ernten. Und wie ich schon berichtete, hat hier jeder einen Garten, aber nicht nur dass, auch die Weinstöcke, der eigene kleine Weinberg, gehören dazu. Für den Eigenbedarf, wie immer dieser zu definieren ist, kann jeder in Ungarn, Wein herstellen, was auch fast alle tun und Schnaps (Pálinka) brennen. Die Pflaumen und die Birnen aus dem Garten müssen dafür herhalten.
In Hévíz gibt’s den Weinberg, das ein touristisches Ausflugsgebiet, ähnlich bevölkert wie die Drosselgasse in Rüdesheim. Eine Wirtschaft an der anderen, Reben soweit das Auge reicht. Viele Deutsche finden sich dort ein. Wir begegnen Menschen, die seit 34 Jahren nach Hévíz kommen und vom Angebot eines deutschsprachigen Gottesdienstes nichts wussten oder wissen wollten. Der zufällige persönliche Kontakt in einer der netten Gasthäuser am Weinberg, führte tatsächlich zu einem Gottesdienstbesuch.
Und was passierte diesen völlig kirchenfernen Menschen? Sie waren begeistert, von der Atmosphäre, von der Gemeinschaft. Dieses Gefühl, hier kommen Menschen aus ganz Deutschland, aus der Schweiz, aus Österreich zusammen und freuen sich aneinander, ist unglaublich. Da gibt es die deutschstämmigen Ungarn, die ungarischere Abstammung Deutschen, die Engländer, die es nach Ungarn verschlagen hat, die schweizerisch-ungarischen Familien uns vieles mehr – eine seltsame Mischung oder eben auch nicht - ein buntes Völkchen von Menschen, wie es heute häufig zu finden ist und auch früher zu finden war. Und da gibt es noch John, den Engländer, der kaum Deutsch versteht, der einfach eine lutherische Messe besuchen will und dann zum Sommerfest bleibt und viel Freude hat, so wie er auf Englisch in das Gästebuch geschrieben hat.
Bunte Vielfalt hagelt es auch im Konfessionsbereich; Es ist alles vorhanden, Evangelische, Katholiken, Freikirchler und Konfessionslose. Sie alle suchen im Ausland Anschluss und Heimat. Ich wage keine Prognose, welche Gruppe den größten Teil ausmacht.
Ich werde immer wieder von Gemeindeglieder berechtigter
Weise gefragt: Was ist ein Tourismuspfarramt, es ist das, was ich beschrieben
habe.
Auch Franzi schmecken die Weintrauen!
Multikulti
Ungarisch zu lernen, das ist schwer, das sagen die Ungarn, die Deutsch gelernt haben und das sagen die Deutschen, die Ungarisch lernen. Es ist keine ableitbare Sprache, hat kaum Verwandtschaft mit anderen Sprachen. Man sagt ihr eine Ähnlichkeit mit dem Finnischen nach, was wiederum die Finnen von sich weisen. Aber im Ungarischen findet sich ein Gemisch aller Sprachen, deutsche Wörter sowie aus aller Herren Länder. Eine richtige „Multikultisprache“: Das ist aber nicht nur das Thema der Sprache, nachdem in vielen Teilen Ungarn die Römer zu finden waren, sind unterschiedliche Bevölkerungsgruppen nach Ungarn gekommen.
Ein Teil von Hévíz, Egregy, zum Beispiel dort befindet sich ein touristisch erschlossenes großes Weinanbaugebiet, wurde im letzten und vorletzten Jahrhundert von Deutschen gerodet und urbar und zum Kulturland gemacht. Informationstafel an den Weinbergen geben über dieses Stück Geschichte Auskunft. So lässt die Beschreibung dieses Gebietes verlauten, dass die Nachfahren dieser Deutschen, Wert darauflegten, sehr gute Ungarn zu sein.
300 km weg von hier in Szentendre, nahe Budapest, waren es Serben, Deutsche genannt Donauschwaben, die aber aus allen Teilen Deutschlands, nicht nur aus Schwaben nach Ungarn gekommen waren, Menschen aus der Slowakei, die das Land Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts bevölkerten und einen schwunghaften Handel betrieben. Dieser Ort mit ca. 25 0000 Einwohnern hat imposante Kirchen aufzuweisen, die an die unterschiedlichen Nationalitäten und Religionen erinnern. Eine mehr oder weniger friedliche Koexistenz unterschiedlichster Völker, vereint im Aufbau des Landes. Die eigene Religion konnte gelebt werden. Von sieben Kirchen Szentendres sind noch heute vier im Besitz der serbisch-orthodoxen Kirche, eine hat die römisch-katholische Kirche übernommen, dann folgt die reformierte Kirche und die griechisch-katholische Kirche.
International wird heute Szentendre durch die Touristenströme aus alle Welt bevölkert, vor allem angelockt durch den Ruf des Ortes als Künstlerkolonie. Anfang des 20. Jahrhunderts ließen sich Maler und Töpfer in diesem Ort nieder. Heute erinnern drei Museen an diese bewegte Zeit. Das Flair vergangener Zeiten hat sich Szentendre bewahrt, die Abendbeleuchtung des Städtchens besteht aus großen elektrifizierten, knallbunten Lampenschirmen.
Französisch essen gehen in Ungarn...
Es galt einen Geburtstag zu feiern - wo sollen wir hingehen, wen kann man fragen? Einige Wochen gingen diese Fragen mit uns um. Und natürlich hört man dann dies und das. Beim Spazierengehen war uns aufgefallen, dass am Ende des großen Weinbergs in Hévíz recht verborgen und abgelegen noch ein Restaurant lag. Wir wagten uns in die Nähe, denn oft standen dort sehr viele Autos. Die Speisekarte war ausgefallen und sagen wir einmal für ungarische Verhältnisse hochpreisig. Es legte sich also der Gedanken nahe, dass es sich um ein Schikimiki- oder Touri-restaurant handeln könnte.
Als uns Einheimische diese Gaststätte empfahlen, gab es kein Halten mehr. Wir reservierten einen Tisch, denn das hatte man uns dringend nahegelegt. Und so kam der große Tag, an dem wir zu fünft in dem besagten Lokal essen gingen. Als wir zehn Minuten vor sieben Uhr, für sieben war der Tisch bestellt, ankamen, wurden wir sofort wieder nach draußen komplimentiert, da der Tisch. noch besetzt war. „19 Uhr haben wir gesagt!“, so lautete der lakonische Kommentar des Betreibers, der als seine eigene Servicekraft arbeitete. Es gelang uns nicht seine Landsmannschaft festzustellen, er sprach offensichtlich ungarisch und mit uns ein recht gutes Deutsch.
Das Lokal war nicht sehr groß und so konnten wir, als die anderen gegangen waren, unsere Plätze einnehmen. Und dann gìng`s los. Die, die das Autofahren übernommen hatte, bestellte Cola. „Gib´s nicht. Holunder- oder Himbeersaft?“ „Was wollt ihr trinken? Rot oder weiß-trocken? Und flugs stand eine Karaffe Weißwein auf dem Tisch. Eine Speisekarte ist nicht vorhanden – also müssen wir warten, bis der Chef Zeit hat, der uns dann mindestens sechs Vorspeisen mündlich vorträgt, d.h. herunterrattert und dann erwartet, dass jeder sofort weiß, was er will. Was großen Teils aufgrund der hohen Erwartungshaltung des Chefs auch gelang. Appetitlich sah aus, was uns da serviert wurde, es schmeckte lecker und war gut portioniert.
Und nun zur Hauptspeise - die Auswahl folgt per unten gezeigtem Gemälde:
Den so dargestellten Speisemöglichkeit folgte eine kurze, schnell gesprochene Erläuterung. „Chefe“ hatte nicht vergessen vorher zu betonen, dass er das alle nur einmal sagt.
Diese, oft aus Italien, bekannten Art der Darbietung von Speisen, befördert unzweifelhaft die Entscheidungskompetenz der Gäste. Es war ein lustiger Abend mit wirklich guten Essen. Denn mit folgenden Worten schmückt sich Webseite unseres Restaurants:
„Neben der authentischen Atmosphäre legen wir einen besonderen Wert auf unser individuelles Speiseangebot, wozu wir die nötigen Rohstoffe ausschließlich von Bauern und Landwirten der Umgebung besorgen. Der Ruf unserer Gaststätte ist den ausschließlich ungarischen Spezialitäten zu verdanken, die unter anderem aus Ziege, Graurind, Wasserbüffel, Esel, Perlhuhn, Hase und Wollschein (Mangalica) zubereitet werden.“
Eigentlich dachten wir ja, dass diese Gaststätte französischen Einschlag hätte. Was französisch anmutete, als wir die zitierten Zeilen noch nicht gelesen hatten, war die Präsentation der Speisen und der lange zeitliche Abstand von Vor- und Hauptspeise. Zudem war in dem Prospekt, das wir mitnahmen, die Speisekarte auf Französisch.
Chapeau!! - nicht nur die Franzosen, auch die Ungarn können kochen!!!
Umgang mit Geld
Die Verdienstpanne in Ungarn klafft gewaltig. Krankengymnasten im Krankenhaus verdienen unter unserem Mindestlohn, selbstständige Krankengymnasten nehmen mehr als die Beihilfe in Deutschland bezahlt.
Wenige Jahre zuvor, war es wohl so, wie gesagt wird, dass die Einheimischen nur überleben konnten, in dem sie den ein oder anderen oder eben den Staat (Steuern) betrogen – ob das wahr ist, weiß ich nicht. Offensichtlich ist der Jahresverdienst insgesamt gestiegen, von ca. 4.200 € auf 6.000 €. Auch die Gastronomie, die die letzten Jahre in Hévíz, eher unzufrieden war, kann sich freuen, denn 2017 waren bisher 20% mehr deutschsprachige Touristen auf Urlaub in diesem Ort, als das Jahr zuvor.
Geld spielt in Ungarn, wie überall auf der Welt, eine große Rolle; Das Wechselgeld solle man geflissentlich nachzählen, rät der Reiseführer. Nun gut, nicht immer denke ich daran und habe bisher noch keinen großen finanziellen Verlust verschmerzen müssen.
Dafür gab es eine andere Erfahrung, von der ich erzählen will. Ein Einladung eines kleinen Kreises von Menschen in ein gutes Lokal führte zu einem gemütlichen und genüsslichen Abend. Es wurde spät und als der Wirt schließen wollte, entschlossen wir uns zu gehen. Vorsichtshalber hatten wir, so dachten wir, verwöhnt durch die günstigen Preise, genügend Bargeld eingepackt. Unsere Vorbereitung stellte sich als ungenügend dar, denn das Bargeld reichte nicht und vorauf wir uns verlassen hatten, die Kartenzahlung für den Notfall, wurde im Lokal nicht akzeptiert. Dumm gelaufen und irgendwie peinlich. Also wollten wir das Mitgenommene schon einmal dalassen und den Personalausweis zur Sicherheit. Beides akzeptierte der Chef nicht, er schickte uns, obwohl er uns nicht kannte, noch nie bedient hatte, nach Hause. Und empfiehl uns, in zwei Tagen wiederzukommen, wenn er wieder geöffnet hätte und die Rechnung zu begleichen. Etwas verwirrt durch den großen Vertrauensvorschuss machten wir uns auf den Heimweg.
Als ich mich anlässlich der Öffnungszeiten des Restaurants auf den Weg zur Begleichung der Rechnung machte, waren der Chef und das Personal erstaunt mich zu sehen und fragten, was ich den wolle. Ich hielt ihnen den hingeschriebenen Rechnungszettel hin und meinte, ich wolle Schulden bezahlen. Erstaunt ergriff der Chef den Zettel und meint: Oh, das hatte ich ganz vergessen! Ein total entspannter Umgang mit dem Geld. Als ich das mit den Freunden diskutierte, meinten alle sie hätten zumindest das Geld genommen, was ich an dem Abend dabeihatte, denn sicher ist sicher.
Eins ist sicher, die Besitzer dieser Lokalität haben wie man sagt, ihre Schäfchen im Trockenen. Nur gibt es davon viele bei uns in Deutschland, die nicht so gelassen reagieren würden. Eher wäre eine Szene zu erwarten, in der Art: Es steht doch an der Tür, dass wir keine Karten nehmen etc..
Nun hat der Herbst begonnen und dies schöne Restaurant hat ab dem15.10. geschlossen – viele wollten noch schnell einmal dort essen und haben zum Glück auch einen Tisch bekommen, z.B. der Partnerschaftsverein von Pfungstadt.
Unterstützung der Stadt Hévíz
In diesen Tagen habe ich dem Bürgermeister der Stadt Héviz 4000,00€ übergeben. Dazu war die Unterzeichnung eines Fördervertrages nötig.
Die Stadt Héviz hat das 500ste Reformationsjubiläum mit großem Aufwand gefeiert. Eine wissenschaftliche Konferenz, deren Vorträge als Buch erscheinen, sowie Festveranstaltungen und eine mehrmonatige, hervorragende Ausstellung zur Reformation, deren Exponate auch in Deutsch erklärt wurden, zeichneten die Feierlichkeiten aus. Übrigens: Der Museumsbesuch war kostenlos!
Es war beeindruckend, mit welcher Intensität und Nachhaltigkeit der Reformation gedacht wurde und zurzeit noch wird, da wir am 31.10.2017 an der Kirche ein Lutherfest mit Lutherfilm, deftigem Essen, nach dem Motto: "Futtern wie bei Luthern“ veranstalten. Der Tag wird abgerundet mit einer Baumpflanzaktion: Ein Apfelbaum für Martin, eine Elsbeere für Katharina.
Es wurde zur Unterstreichung vieler Aktionen vom Auswärtigen Amt in Deutschland eine Wanderausstellung zur Reformation in Europa angeboten. Diese hätten wir gerne hier in Hévíz gezeigt. Allerdings hielten wir dies nicht für klug, da wir erstaunlicher Weise feststellen mussten, dass auf einer der Karten keine reformatorischen Bewegungen im Bereich von Ungarn dargestellt wurden.
Mein Talar war also mehrere Monate ausgeborgt und ich hielt die Gottesdienste in meiner Albe.
Die für die Stadt entstandene Finanzierunglücke konnte mithilfe der Zuwendungen durch die Evangelische Kirche in Deutschland gedeckt werden. Die feierliche Übergabe fand im Gottesdienst statt, in dem Bürgermeister, sein Stellvertreter und die Kollegin der reformierten-ungarischen Gemeinde den Scheck mit großer Freude entgegennahmen. Der Vorsitzende der deutschen Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Dieter Bögel übergab den Scheck. In Hévíz haben wir als deutsche evangelisch-lutherische Gemeinde viel erreicht. Wir wurde gleichrangig mit den ungarischen Kirchen wahrgenommen, als ernst zu nehmender Partner für Stadt und Kirchen.
Das Jahr der Überraschungen
Es war das erste Mal, dass wir für mehr als ein Dreivierteljahr die Aufgabe einer Urlauber- bzw. Kurseelsorge im Ausland angenommen haben. Unsere vorgehenden Aufenthalte im Ausland im Auftrag der EKD waren kürzer gewesen.
Zehn Monate Haus und Hof, Bekannte, Nachbarn, Tennisfreunde und viele mehr zu verlassen, ist nicht einfach, weder für uns noch für die anderen. Unsre Nachbarin sagte, als sie von unserem Vorhaben erfuhr: „Was kann ich tun, das ihr bleibt und nicht ins Ausland fahrt?“.
Jetzt stehen wir kurz davor, unseren „Heimaturlaub“ anzutreten. Ein Stück Fremdheit ist zwischen der Heimat zuhause in Deutschland und der neuen Heimat in Ungarn getreten. Also Zeit, um die Geschehnisse vom Anfang bis jetzt Revue passieren zu lassen.
Ein mehrstündiges von Seiten der EKD hochbesetztes Briefing ging unserer Reise voraus. Damals wurden Perspektiven für die Gemeinde in Hévíz aufgezeigt, aber auch die Defizite wurden klar benannt. Zu den Nachteilen u. a. gehört die Überalterung der Gemeinde, so manche festgefahrene Struktur und die Frage, inwieweit Veränderungen hin zu einer Tourismusgemeinde mitgetragen werden. Also nicht leichtes Gepäck, wie Silbermond singt, sondern, so empfanden wir das, schweren Gepäck, das uns in den Rucksack gepackt wurde. Perspektivisch wurde uns allerding von der EKD zugesichert, sollte sich die Gemeinde in die richtige Richtung entwickeln, wäre eine „drei jährige Projektpfarrerstelle“ denkbar. Soll heißen, es würde nicht jedes Jahr ein neuer Ruheständler geschickt, sondern ein jüngerer Pfarrer würde entsendet werden mit einem Deputat von 100%.
In dieser Weise ausgestattet und mit vielen Informationen versehen, starteten wir im März 2017 durch, Richtung Ungarn, wo wir körperlich wohlbehalten ankamen. Bis wir psychisch und seelisch in Hévíz landeten, sollte es noch eine Weile dauern.
Neugieriges Interesse schlug uns bei unserem Ankommen und den ersten Aktivitäten entgegen. Spannend war das starke Interesse der Touristen. Die, die jedes Jahr wiederkommen, wollten wissen, woher nun dieses Pfarrerruhestandsehepaar stammt und wie die wohl sind und ob und was sie anders machen werden? Kirchlich interessierte Reisende, die es in die Gottesdienste verschlug und die zum ersten Mal in Hévíz waren, fanden es bereichert, hier einen deutschen Gottesdienst erleben zu dürfen und interessierten sich auch dafür, wie unser Einsatz von der EKD organsiert war. Sie formulierten, dass sie dankbar seien dafür, dass es die Möglichkeit zu einem Gottesdienstbesuch in deutscher Sprache gäbe.
Von den sogenannten Semiresidenten, die circa ein halbes Jahr in Ungarn und das andere in Deutschland verbringen, fiel die vermehrte Aufmerksamkeit für die Personen auf. Die unterschiedlichen Charaktere und Persönlichkeiten der Pfarrer und deren Partner hatte es ihnen angetan, und es wurde sogar eine Serie Pastores geführt. Das kirchliche Leben in der Gemeinde war zweitrangig, sie bezeichneten sich als sporadische Kirchgänger. Wir kommen uns so ein bisschen, wie ein Schmuckblatt vor – muss nicht schlecht sein! Auf die Frage, was ihnen fehlen würde, wenn der deutsche Gottesdienst in Hévíz entfallen würde, war die Antwort, dass es dann ja noch den Fernsehgottesdienst gäbe.
So ganz anders die Meinung vieler Kurgäste und Touristen, wie oben berichtet, sie ließen verlauten, dass sie dankbar seien über dieses Angebot.
Bei Touristen und Residenten steht das Thema Gemeinschaft im Vordergrund, dies ließ sich leicht erkennen, als das Angebot des Kirchencafés im Anschluss an den Gottesdienst immer stärker angenommen wurde. Verständlich wird dieses Verhalten vor allem dadurch, dass einige über einer Stunde mit dem Auto fahren müssen, um zum Gottesdienst nach Hévíz zu kommen. Uns hat das veranlasst, nun einmal im Monat eine gemeinsame Mahlzeit anzubieten, was sehr gut angenommen wird, auch in der Zeit, als es im Essenszelt schon etwas kühler geworden war.
Da gibt es Menschen, die seit Jahrzehnten Urlaub in ihrem Ferienhaus in der Nähe von Hévíz machen und nun ganz übersiedeln und die Zeit finden, das Sommerfest oder das Reformationsfest zu besuchen, was ihnen „niederschwellig“ die Möglichkeit gibt, Kontakt aufzunehmen. Als ich diese Interessierten entdeckte und sie freundlich begrüße zu unseren Feierlichkeiten, antworteten mehrere mit dem Satz: „Ich bin der Neue, wie sind die Neuen“. Das verstehe ich so, dass sie nun bei uns, im kirchlichen Kontext, die Neuen sind, obwohl sie im Bereich von Hévíz schon lange die Alten sind. „Wir sind die Neuen“, hat für mich Bekenntnischarakter bekommen.
Überrascht hat uns, wer von denen, die immer wieder in der Nähe von Hévíz kuren, urlauben, wohnen, sich alles dem kirchlichen Leben anschließt, aber hier im Ausland bietet die Kirche eine der wenigen Vernetzungsmöglichkeiten und die werden gerne angenommen.
Spannend ist es zu hören, von Touristen, dass sie zuhause nicht in die Kirche gehen, obwohl die Möglichkeit des Besuchs gegeben ist, da das Kirchengebäude in unmittelbarer Nähe ihres Zuhauses liegt. Sie betonen, dass sie sehr Gläubig sind, dies aber nicht dadurch zeigen müssen, dass sie sonntags in ihrer Dorfkirche erscheinen. D. h. für sie ist der Gottesdienst im Ausland, die Möglichkeit christliche Gemeinschaft zu erfahren, die sich nicht präsentieren muss.
Überraschend war wie sich nach einem etwas holprigen Anfang, der sich in den dem Satz: müssen wir uns schon wieder an einen neuen Pfarrer gewöhnen, zusammenfassen lässt, vieles zu unserer Freude zum Positiven entwickelte. Uwe und ich fungierten als Zugmaschine, aber etwas, was nicht gezogen werden will, kann man nicht ziehen und nach dem ersten Ruck auf den Gleisen, fuhr unsre Eisenbahn von alleine und erhielt immer mehr Wagons. Das betrifft das kreative Aufbruchsklima im Rahmen der Gemeinde, die sich zahlreich am Gemeindeentwicklungsworkshop beteiligt hat, aber auch das Zugehörigkeitsgefühl, das einige Kurgäste und Touristen entwickelt haben. So spendeten uns von diese, ein Ehepaar, das Geld für die Anschaffung einer großen Kaffeemaschine. Das war Überraschung pur, sie sind in ihrer Heimatgemeinde eingebunden und aktiv, aber zu diesem Reformationsfest, wollten sie uns unterstützen. Ein anderes Touri-Paar schenkte der Gemeinde eine Luthergedenkmünze. Na, wenn das nicht toll ist!!
Wir sind gerührt, berührt, wie unser Engagement angenommen und aufgenommen worden ist und wie es sich vermehrt. In großer Dankbarkeit beschließen wir nun mit den letzten anstehenden Gottesdiensten unseren Dienst für dieses Jahr.
Und hoffen weiter auf die kleinen und großen Wunder, z.B. ein gut gefülltes Gotteshaus an Heilig Abend. Was in den Heimatkirchen selbstverständlich ist, ist hier in der Kurkirche nicht so. Weihnachten feiern viele Residenten in Deutschland und über Heilig Abend wird keine Kur gemacht. Wie haben aber erfahren, dass die Hotels spezielle Weihnachtsprogramme in diesem Jahr auflegen und das Busreisen über diese Zeit von Deutschland nach Hévíz angeboten werden. Also, schau`n wir mal!
Apropos schauen: Was zeigt das Foto – wer weiß das? Es kann evtl. zweifach genutzt werden. Auflösung im nächsten Artikel.
So allerlei zu Advent und Weihnachten
Die deutsche Weihnachtsmarkt“kultur“ findet man in Ungarn nicht so ausgeprägt.
Es gibt vereinzelte Weihnachtsmärkte, die nur einen Tag dauern und deren Größenordnung mit unseren auch in den kleineren Städten, wie Buxtehude, nicht zu vergleichen sind, denn sie sind viel kleiner. Auch werden Hinweisschilder auf diese Veranstaltungen vermisst. In Zeitungen werden sie angekündigt, das scheint als Information zu reichen. Ortsunkundige müssen suchen. In einen fremden Ort fahren und auf Schilder hoffen, das kann man zwar tun, aber man wird keine finden.
Allerding gilt meine Erfahrung für die Provinz, in der wir leben, nicht für die Großstadt Budapest. Dort ist die Weihnachtsmarktkultur natürlich schon eingezogen.
Was ich noch vergeblich suchte, waren Adventskalender, die bei uns Zuhause in Deutschland zuhauf verkauft werden oder deren Türchen im Radio, an der Haustür (lebendiger Adventskalender), in der Zeitung geöffnet werden. In dem Teil Ungarns, in dem wir leben, habe ich sie in den Geschäften vergeblich gesucht.
Heute ist Nikolaustag und auch hier in Ungarn werden Schuhe oder Stiefel in der Nacht vor dem 6.12. vor die Tür gestellt in der Hoffnung, dass sie mit Süßigkeiten oder Ähnlichem gefüllt werden.
Mikuláscsomag ist der Nikolaussack. Mit diesem roten Sack kommt er und füllt die Stiefel. Aber Mikuláscsomag wird auch gebracht als Nickname für den Strafzettel am Auto. Wir sagen Knöllchen, die Ungarn sagen Mikuláscsomag, weil die Zahlungsaufforderung in einem roten kräftigen Plastiksäckchen eingeschweißt ist. Da stellt sich mir die Frage, woher unser „Kosename“ Knöllchen kommt?
Ich wünsche aus dem weinfreundlichen Ungarn frohe Weihnachten, wie sollte es anders sein, mit einem Flaschenweihnachtsbaum.
P.S.: Das Bild der Metallkrippe aus dem letzten Artikel zeigt in Wirklichkeit einen Weihnachtsbaumständer.
Weihnachten im Schuhkarton
Weihnachten im Schuhkarton ist eine Aktion, um bedürftige Kinder zu unterstützen. Ein Schuhkarton mit etwas zum Spielen und Weihnachtsüßigkeiten, ist das Einzige, was manche Kinder bekommen.
Manchmal passiert es, dass durch unterschiedliche Gemeindekooperationen, die Bitte, um Füllung eines Karton, sehr spät, bis zu spät erfolgt. Es gab keine Möglichkeit mehr, diesen Hinweis eine Woche vorher in die Abkündigungen aufzunehmen.
Also wurde eine Mail an Gemeindeglieder geschickt, mit der Bitte einen gefüllten
Schuhkarton möglich zu machen und am Sonntag in den Gottesdienst mitzubringen.
Die Reaktionen waren spannend, von das ist aber spät, wir versuchen es aber, bis zu wir haben Handwerker und können eigentlich nicht, machen es aber doch möglich – bis hin zu Diskussionen, warum alles so spät organisiert wird und wer daran Schuld hat etc…
Mein Kommentar lautete, dass einer, der keine Zeit hat, nicht mitmachen muss, und dass ich alle Diskussionen darüber warum und wieso in diesem Jahr die Aktion so spät kam, für überflüssig halte und wer es schafft, um der Kinder willen noch etwas zu organisieren, der sollte die Möglichkeit des Mitmachens erhalten, auch wenn es spät war.
- Ein kleiner Schuhkarton kann ungeahnte Wortgefechte auslösen.
- Aber ein kleiner Schuhkarton hat auch viele spontane Packer und Packerinnen.
- Ein kleiner Schuhkarton geht in die Welt, um ein Menschenherz zu erfreuen.
Ein kleiner Schuhkarton, das habe ich gelernt, kann die unterschiedlichsten Reaktionen hervorrufen!