Das dritte Jahr in Ungarn 


Das dritte Jahr in Ungarn – ist das Land unsere zweite Heimat geworden – oder überwiegt das Fremde?


Krank sein und sterben...

Viele der deutschen Residenten oder Semiresidenten in der Gegend um den Balaton lassen ihre körperlichen Beschwerden in Deutschland bessern oder heilen. Nicht immer reicht die Zeit noch aus, wenn jemand plötzlich schwer erkrankt, den Patienten zumindest nach Österreich zu bringen. Die ungarischen Krankenhäuser aber haben gut ausgebildetes Personal und Hilfe wird jedem gewährt.

Und die medizinische Fakultät von Budapest ist eine der gefragtesten Ausbildungsstätten in Europa. Die Studiengebühren können sich nur wenige leisten.

Die medizinische Versorgung hier vor Ort wird sehr unterschiedlich beurteilt. „Mein Mann hatte ernsthafte Beschwerden im Galle- und Leberbereich, die Behandlung und die Röhrchen, die sie ihm gesetzt haben, habe ich in Deutschland noch nie so erlebt,“ berichtet eine ehemalige Gesundheits- und Krankenpflegerin von den Erfahrungen ihres Mannes. Manche stören sich daran, dass es noch Zimmer mit bis zu sechs Betten gibt.

Die Krankenversicherung, die auch deutschen Umgesiedelten zu Gute kommt, bietet Einiges. Die Gleichbehandlung aller im Wartezimmer Vorfindlichen ist gewährleistet, da die Assistentin im Arztzimmer sitzt und es in der Regel keinen Empfang gibt. Also sitzt man vor der Tür und merkt sich, wer vor einem drankommt. Viele Ärzte sprechen Deutsch. Eine sogenannte offene Badekur kann vom Mediziner zweimal pro Jahr verordnet werden; das nehmen viele gerne wahr.

Auch die intensiv medizinische Ausstattung lässt nichts zu wünschen übrig. Die palliative medizinische Begleitung ist nicht so ausgebaut wie in Deutschland. Die Versorgung Schwerstkranker mit starken Schmerzen ist gewährleistet, aber die Zuteilung der schmerzstillenden Mittel wird wesentlich strenger gehandhabt. Dazu passt, dass schon geringer Besitz illegaler Drogen aufs Härteste bestraft wird.

Eine Patientenverfügung, wie wir sie in Deutschland kennen, gibt es in anderer komplizierter Form. Im Besitz der geistigen Kräfte muss bei einem Notar die Verfügung verfasst werden und ein zweiter Notar muss die Zuständigkeit der genannten Betreuer bestätigen. Das wirkt aufwändig.

Dafür ist die Beerdigung unkomplizierter. Die Asche eines Menschen wird vom Krematorium auch in einem Plastikbeutel mit nach Hause gegeben. Eine Beerdigung der Asche in einem Gefäß ist auf dem eigenen Grundstück möglich.


Es tut sich was...

Die Mülltrennung, bisher eher rudimentär in Ungarn vertreten, hat Einzug gehalten.

Die in einem der letzten Blogs fotografierten Müllplätze gibt es nicht mehr. Sie sind flächendeckend verschwunden. 

Stellt sich die Frage, wohin mit dem vom Restmüll getrennten Abfall? Für viele deutsche Bewohner war der ortseigene Müllplatz die letzte Rettung, um den getrennten Müll los zu werden.

Aber siehe da: Der gelbe Sack ist eingezogen. Die Nutzung ist etwas anders als bei uns. Dorthinein kann man auch Papier und Glas geben, die Inhalte des gelben Sacks werden auf Förderbändern getrennt. Und es gibt einen besonderen Service: Man muss den gelben Sack nicht besorgen, man kann es zwar auf dem Bürgermeisteramt tun, aber man bekommt die Anzahl der abgegebenen, neu wieder hingelegt.

Ursprünglich gingen wir davon aus, dass die Abfuhr alle vier Wochen stattfindet, aber auch das gestaltet sich komfortabler, die Entsorgung passiert alle 14 Tage.

Und die großen Discounter haben nun Möglichkeiten geschaffen, Plastikflaschen zurück zu geben. Von einem Pfand-System wie bei uns kann man so nicht reden, bei einigen gibt es ein paar Forint pro Flache. Das geht umgerechnet gegen Null, wenn man weiß, dass 300 Forint ein Euro sind.

Für viele Trennaktivisten ist das ein echter Forstschritt und ich denke für alle anderen aus.

Die Unsitte, die es in Deutschland auch gibt, Gartenabfälle mehr oder weniger unbemerkt in den Wald zu schmeißen, und auf diese Weise zu entsorgen, ist auch hier verbreitet. Wir hoffen, dass sich auch diese Auswüchse, egal in welchem Land, ausrotten lassen.

Der Schritt von der Mülltrennung hin zum Bewusstsein, dass es sich bei Abfall um Wertstoffe handelt, wie unsere Wertstoffhöfe, dies begrifflich verdeutlichen, ist einer, der in unseren Köpfen passieren muss/darf.


Menschen stranden...

Die Bilder von Menschen, die gestrandet sind, Kinder, die tot am Strand liegen, weil die Familien über das Mittelmeer geflohen sind, haben sicher viele von uns noch im Kopf.

Wir sprechen aber auch davon, dass Menschen im übertragenen Sinn stranden. Bei unserem Arbeitsaufenthalt in Rhodos gab es mehrere alleinstehende deutsche Männer, die ihr Leben unter ärmlichen Bedingungen fristeten. Zum Teil hatten sie keine sozialen Kontakte. Als einer starb, fiel die Aufgabe der Beerdigung der evangelischen deutschen Gemeinde auf Rhodos zu. Denn er war als evangelisch gemeldet und so wendete sich die Behörde an die Gemeinde. Sie übernahmen, da es weder Freude noch Angehörige gab, diese Aufgabe und begleiteten den Verstorbenen auch auf seinem letzten Weg.

Auch in Ungarn stranden Deutsche. Einer muss seine Wohnung verlassen und findet keinen Wohnraum, den er bezahlen kann. Andere wollen aus ihrem Beruf frühzeitig aussteigen, können dies aber nur dort verwirklichen, wo die Lebenshaltungskosten, so wie in Ungarn, günstiger sind. Dann wird alles, was in Deutschland vorhanden ist, zu Geld gemacht und ein erschwingliches Haus in Ungarn gekauft. Welche Vorstellungen, Visionen, Lebensperspektiven die Aussiedelnden damit verbinden, wird nicht deutlich. Das Hauptmotiv scheint zu sein: Hauptsache weg aus Deutschland, weg von der Arbeit, manchmal auch weg von der Familie. Es ist eine Flucht vor Unbewältigtem, was in Deutschland zurückgelassen werden soll. Dass sich dieser Wunsch nicht immer erfüllt, drängt sich als Gedanke auf, denn den Ballast, den man mit sich rumträgt, der bleibt erhalten.

Nun gut, nach dem Motto: Ich bin dann mal weg! Was dann wird, ist ein zweiter Teil. Ob es Einigen so ergeht, wie dem Mann auf Rhodos? Andere wollen bald wieder zurück, können es sich dann aber nicht leisten…. Automatisch hat eine Flucht noch keine Zukunftsperspektive, sie sichert im schlimmsten Fall das Überleben …aber wie geht es weiter?


Religion in Ungarn

„Ein katholisches Volk“ - so waren meine gängigen Vorurteile in Bezug auf die Religionszugehörigkeit der Ungarn. Der Länderinformation Ungarn vom Februar 2019, die die Evangelische Kirche in Deutschland herausgibt, entnehme ich, dass 37% der Ungarn der Römisch-Katholischen Kirche angehören.

„Ups -so wenig“, dachte ich mir. Und die Antworten aus kundigem Mund erinnerten mich daran, dass dieses Land viele Jahre zu den sogenannten Ostblockstaaten gehörte, in denen Religion kein gängiges Thema war.

Es gibt die reformierte Kirche Ungarns, zu ihr gehören 1,15 Millionen Menschen von den ca. 975 000 Einwohnern des Landes. Zur Evangelisch-Lutherischen Kirche zählen sich 215 000 Mitglieder. Es gibt weiterhin Baptisten, Methodisten, Anglikaner, Orthodoxe.

Die katholische Religionsausübung hat, so erlebe ich es, viel mit Kultur- und Heimatbewusstsein zu tun. Eine Gläubigkeit, so wie sie mir in Polen begegnet ist, habe ich hier noch nicht erfahren.

Auch Buddhistisches begegnet uns in diesem Land, der Stupa, den man nicht weit von uns besuchen kann und der eine Friedensstupa ist. Oder das Krischna Tal einer autonomen buddhistischen Gemeinde.

Erstaunlich präsent sind die, die als Sekte gelten, die Zeugen Jehovas. Es gibt wohl auch eine größere ungarische Gemeinschaft. Aber etliche deutsche Residenten haben sich ihnen angeschlossen. Auch hier in Ungarn gehen sie von Haus zu Haus, erkunden genau, wo Deutsche leben und beglücken sie mit ihrer Zeitung, dem Wachturm. Auch wir bleiben nicht verschont. Die uns Besuchenden, die zu den Zeugen Jehovas gehören, wissen sehr genau, dass wir im Dienst der Evangelischen Kirche Deutschland arbeiten. Diese Information hält sie nicht ab, uns regelmäßig zu besuchen. Warum sollte nicht auch einmal eine Pfarrerin und ihr Pfarrmann bekehrt werden?

Die Missionstätigkeit ist ausgeprägt und sie nutzen ihre Präsenz in den deutschen Stammtischen als Möglichkeit „an Menschen“ zu kommen.


Reifenpanne

Reifenpannen haben wir in Ungarn schon einige gesehen. Warum gehen hier so viele Reifen kaputt?

Die überlegte Antwort lautet: Schlechte Straßen, evtl. Unrat wie Schrauben oder Glas auf der Fahrbahn.  Das einem das selbst auch einmal passiert, hatte ich nicht so auf dem Schirm.

Auf jeden Fall haben ich Ende Mai ganz neue und richtig gute Sommerreifen gekauft. Die letzten haben 70 000 Kilometer gehalten, also dachte ich mir, es ist richtig, wieder ein Qualitätsprodukt zu nehmen. Soweit so gut!

Auf dem Weg zu einem Gemeindemitglied, schallte hinter mir das Martinshorn. Ich führ rechts auf den Grünstreifen, der in einen kleinen Kanal führte. Das Sanitätsauto kam nicht an mir vorbei, ich fuhr noch weiter in den Graben und war dann froh, wieder aus diesem herauszukommen.

Plötzlich klackerte es rechts, der Wagen fuhr nicht richtig. Ich bog ab und hielt in der Nähe des Balatonfahradwegs. Ich stieg aus und sah die Bescherung. Der rechte Vorderreifen war platt. Was tun – Reifenwechsel bei 40 Grad, das traute ich mir nicht zu. Eine weitere Möglichkeit war, den ungarischen ADAC anzurufen. Inzwischen fuhren viele Deutsche an mir vorbei, registrierten, dass ich eine Reifenpanne hatte.

Nach einer halben Stunde des Überlegens und Nachdenkens kam ein Vater mit seinem Sohn vorbei, die den Balatonradweg erwanderten. Großartige Sache dachte ich, mal was anderes. Diese beiden nun, gingen nicht an mir vorbei. „Oh, Reifenpanne, können wir helfen?“

Ruckzuck waren der Ersatzreifen und der Wagenheber ausgepackt. Mit gemeinsamen Kräften konnte der Reifen gelöst und der Ersatzreifen befestigt werden. Mein Dank wurde angenommen, alles andere wurde zurückgewiesen. Es war sehr schön, so freundliche und hilfsbereite Menschen kennen zu lernen. Ich lud sie zum Sonntagsgottesdienst und unserem gemeindlichen Mittagessen ein …. und sie kamen!

Die Gemeinde hat sie sehr freundlich begrüßt und sich nach ihnen erkundigt. Das Fazit: Es gibt noch nette Menschen!


Fliegen...

Flugreisen sind hilfreich, um viele Kilometer zu überwinden. Die Möglichkeit Billigflieger zu nehmen, eröffnet vielen Menschen die Möglichkeit weite Reisen zu unternehmen. Aber auch beim Billigfliegen gibt es ein oben und ein unter. Die unterste Preiskategorie ist zu spüren: Abfertigung in einer alten Fabrikhalle, ellenlange Bustransporte über das Flughafengelände. Sitze zum Reinquetschen. Aber auch unter diesen Bedingungen kann man Kilometer machen. Die gereizte Hektik unter den Flughafenbenutzern ver“schönert“ den Reiseevent. Obwohl jeder seinen Sitzplatz schon hat, wollen alle als Erste in den Flieger.

Einen besonderen Reiz bietet die Sicherheitskontrolle, nicht etwas deshalb, weil man befingert wird, nein, es ist die Spannung, die sich aufbaut. Komme ich und mein Gepäck heute ohne großes Aufheben durch den Check? Oder werde ich oder ein Kofferteil von mir rausgewinkt? Und was es da dann wohl zu finden gibt? Das wird nach den letzten Flügen für mich die spannende Frage bleiben. Denn auf einem der letzten Reisen wird meine Handtasche drei Mal durch den Scanner geschickt – dann werde ich gefragt, ob ich eine Feile dabei hätte. Das bejahte ich und zeigt ein in Plastik versenkte drei Zentimeter lange Nagelfeile. Ich ging davon aus, dass ich sie jetzt abgeben müsste, aber nein, ich durfte sie behalten.

Der Koffer meines Mannes musste auch mehrfach die „Tunnnelreise“ antreten. Dann wurde er geöffnet. Danach der Waschbeutel und siehe da, das Personal war glücklich, ein kleiner in Plastik versenkter Korkenzieher. Auch dieser wurde nicht einbehalten, obwohl ich denke, dass so ein Gerät schon gefährlich sein kann. „Nein“, hieß es, er sei weniger als fünf Zentimeter lang uns so durften wir ihn behalten. Wir hatten den längst vergessen, da er sich seit Jahren in der Kulturtasche befindet, immer mitreiste und mitflog und nie gefunden wurde.

Auf der Rückreise wurden beide Teile nicht gefunden oder nicht gesucht. Aber etwas anderes schlug an. Was das jetzt wohl wieder ist? Koffer auf, Waschbeutel auf und sie da, ein Deo-Spray in korrekter Reisegröße wurde beanstandet. Diese kleine Dose ist demnächst separat in einem Zippplastikbeutel zu transportieren, so wurden wir für die nächsten Reisen ermahnt.

Fliegen ist schön, weil man nie auslernt und es immer Überraschungen gibt.


Und plötzlich...

steht da ein Pony im Garten. Nun sicher bin ich inzwischen in einem Alter, wo man viele Dinge anders sieht. Und evtl. auch Sachen, die nicht vorhanden sind? Auf jeden Fall stand da plötzlich ein Pony im Garten. Ich suchte meinen Mann, der im Carport beschäftigt war und sagte: „Komm`mal mit, da ist ein Pferd im Garten.“ Seine Reaktion schildere ich an dieser Stelle nicht! Aber er kam trotzdem mit. Und siehe da, was mussten seine müden Augen erkennen: Ein Pony bei uns im Garten.

Ein besonderes Pony mit besonderen Anspüchen, die wir als Nicht-Pferdekenner sogleich verstanden. Es scharte mit seinen Hufen auf unserer Zisterne, was wohl hieß: Wasser. Ein Eimer Wasser wurde gereicht. Es soff wie nicht gescheid und dann gab es ein Schnauben von sich. Wir servierten Aprikosen, die im Garten gerade reif wurden. Gefällig wurde diese Gabe akzeptiert und das Fruchtfleisch sogfältig vom Kern gelöst. Danach wurde gegrast, was das Zeug hielt. Wir suchten inzwischen an der Straße nach Besitzern, die sich nicht auftreiben ließen. Wir überlegten, morgen ein Bild vom Pony an die Bushaltestelle zu pinnen mit unserer Telefonnummer oder evtl. gleich zur Polizei zu gehen. Mit zu bedenken ist immer das Sprachproblem!

Mit unserem Überlegungen waren wir noch nicht recht fortgeschritten, als das Pony – satt und sauber – Verzeihung- satt und nicht mehr durstig, uns wieder verließ. Ohne Abschiedsgruß und ohne den, für meinen Garten ersehnten Haufen zu hinterlassen.

Schlangen 2

Dann war es also wieder weg und ein gemütlicher Abend auf der Terasse sollte beginnen. Ich wollte noch einen Eimer mit Blumenerde wegräumen, als ich direkt an unserer Hauswand ein Schlangenest fand. Ich dachte, dass das ziemlich ungewöhlich sei,direkt an Haus und Terassen, wo es viele Erschütterungen gab. Aber die beiden Schlangen waren da und es gelang uns nicht 100 prozentig, sie zu bestimmen. Für uns hatten sie Ähnlichkeit mit der bedrohten ungarischen Wiesennatter. Wenn uns jemand schreiben kann, welche Schlangenart das ist, freuen wir uns. Auf jeden Fall verschliefen sie den Abend und waren am nächsten Morgen, genauso wie das Pony, verschwunden. Wir freuen uns auf weitere Besucher, es dürfen auch ganz normale Menschen sein.


Aprikosenernte in Ungarn...

Letztes Jahr waren viele Blüten auf dem Aprikosenbaum. Und auch der Fruchtansatz war auch nicht schlecht, aber die Wetterbedingungen führten dazu, dass die unreifen Früchte am Baum verfaulten.

Im Jahr 2019 waren unsere drei Aprikosenbäume üppig bestückt und wir konnten fast handtellergroße Aprikosen ernsten. Circa 160 kg mussten von den Bäumen runter und zu Marmelade, Chutney, Trockenobst verarbeitet werden. Aber damit noch nicht genug. Was sollte man mit dem riesigen Rest anstellen?

Andere Deutsche hier im Land, die auch viele Obstbäume haben, empfahlen uns Schnaps, Palinka brennen zu lassen. Da wir keinen Schnaps trinken, gefiel uns die Idee nicht gut. Aber irgendetwas musste doch mit dem Obst geschehen. Also gut, dachten wir, lassen wir Schnaps brennen, den können wir verschenken.

Gesagt, getan. Damit die Brennerei unser Obst annimmt, muss es eingemaischt sein und das Gewicht von ca. 120 Kilogramm auf die Waage bekommen.

120 Kilogramm Aprikosen mit der Hand entsteinen und kleinschneiden, sind zu zweit mit Pflücken des Obstes, drei Tage Arbeit.  Nun wir entschlossen uns dazu. In Plastikbehältern war nun die Maische untergebracht und es wurde Hefe hinzugetan. Kurz darauf hörte man es in den Behältern blubbern, die Gärung begann. Wenn es nicht mehr blubbern würde, könnte es den Weg zum Brenner finden.

Als mein Mann zwei Tage nach der Gärung in den Keller schaute und die Luft aus einem Behälter lassen wollte, flog ihm das Aprikosengemisch um die Ohren und versaute den gesamten Keller.

Unnötig zu erwähnen, dass wir jetzt einen strahlend sauberen Keller haben und alles was darin rumliegt auch glänzt. Aber die 40 Liter, die durch die Luft geflogen waren, fehlten jetzt. Freunde boten uns an, von ihrer 200 kg Aprikosen-Maische das abzunehmen, was wir brauchten, damit es abgegeben werden kann. Wir nahmen das Angebot an. So aufgefüllt, war mit einem Ertrag von ca. 20 Litern Schnaps zu rechnen.

Die Etiketten wurden schon entworfen, da kam ein Anruf vom Brenner selbst. Wir könnten unsere fünf Liter Aprikosenschnaps abholen. Na gut, da haben wir uns beim Telefonieren sicher verhört. Aber nein, es kam anders. Irgendwie hat wohl das ganze Durcheinander zu einer Unterbrechung des Gärprozesses geführt und so gab es tatsächlich nur fünf Liter und damit sie richtig genießbar werden, müssen sie mindestens ein bis zwei Jahre lagern.


Kindererziehung

Wenn man verschiedene Länder in Europa bereist, erlebt man, dass das Leben in jedem Land sozusagen unterschiedlich spielt. Nicht nur andere Landschaften und Sprachen erwarten einen, sondern auch das Leben der Menschen tickt anders.

Eine junge ungarische Familie lebte einige Jahre in Deutschland, wo der Mann gutes Geld verdienen konnte. Es wurden zwei Kinder geboren, die eine ist vier und der andere ist ein und ein halbes Jahr alt. Sie fühlten sich in Deutschland wohl, waren auch der deutschen Sprache mächtig.

Jetzt leben sie wieder in Ungarn. Hier ist das Geldverdienen für den Vater nicht so leicht, er versucht sich als Hausmeister bei den deutschsprachigen Bewohnern. Ein Hausmeister, der mit einem großen Mercedes vorfährt – das hat doch was!

Warum ist die Familie nach Ungarn zurückgegangen? Die junge Frau gab den Ausschlag. Ihre Tochter ging in den deutschen Kindergarten und ihr gefiel es nicht, was ihre Tochter dort mitbekam. Die Eltern drückten ihren Entschluss mir gegenüber wie folgt aus: „In Deutschland ist das Kind König - in Ungarn die Eltern.“ Sie wollten offensichtlich, dass ihren Kindern ein anderes Elternbild vermittelt wird. „Das geht so nicht weiter, wir müssen zurückgehen“, meinte die junge Frau.

In Ungarn geht die Grundschule, in der auch Fremdsprachen vermittelt werden bis zur achten Klasse. Danach ist eine Lehre oder eine weiterführende Schule möglich. Dies gefiel den ungarischen Eltern auch besser. Ich argumentierte dagegen und führte an, dass z. B. nach vier Jahren Grundschule die Begabungen der Kinder schon gut zu erkennen seien und erzählte von den drei Enkelkindern, von denen jedes auf eine andere weiterführende Schule, gemäß ihren Begabungen, geht.

„Da weiß man doch noch gar nicht, was man will“, meinte der Vater. So unterschiedlich sind die Einschätzungen.


An so vieles gewöhnt man sich...

Es war ein schöner Sommer bei uns in Ungarn; Wettertechnisch natürlich, aber auch im Rahmen des Gemeindelebens. Wir haben viele schöne Dinge miteinander erlebt. Besuch aus der Partnergemeinde Pfungstadt-Hahn mit denen wir ein lustiges Wettkochen veranstaltet haben. Wir habe gesegnete und gut besuchte Gottesdienste gemeinsam gefeiert und Ausflüge gemacht. Und vieles liegt noch vor uns, eine Ausstellung selbstgemalter Bilder, an der sich viel mehr „Künstler“ beteiligen als jemals erwartet.

Im Sommer haben uns eine Kollegin und zwei Kollegen aus Deutschland unterstützt, um in den Hochburgen des Tourismus Gottesdienste anzubieten.

Erstes Thema, wenn wir uns mit ihnen trafen, was das Überholverhalten der Ungarn. So etwas hätten sie, durchaus auslandserfahrene Kollegen, noch nie erlebt, auch nicht in Spanien. Wir hatten uns inzwischen schon daran gewöhnt, dass wenn man zum Überholen ansetzten will, schon selbst überholt wird oder, dass man auf der Gegenspur bei jeder Kurve und jedem Hügel damit rechnen muss, dass sich ein Auto auf unserer Fahrbahn bewegt. Nicht wenige Autos waren in den Straßengraben mit großen Schäden abgedrängt worden, der Verursacher, der Überholer ward nicht mehr gesehen. Aber ganz so unbekannt ist uns der riskante Fahrstil nicht, da mein Mann und ich auch schon in Polen gearbeitet haben. Man gewöhnt sich dran.

Als wir in diesem Jahr einmal kurzfristig mit dem Auto nach Deutschland fuhren, sagte ich zu meinem Mann, der gerade fuhr: „Ups, ich glaube wir müssen aufpassen, die Bahnblinkanlagen scheinen ausgefallen zu sein.“ Erst eine Weile später brachen wir beide in schallendes Lachen aus: Denn in Ungarn blinkt der Bahnübergang immer mit weißem Licht - in Deutschland gibt es das nicht. Blinkende Bahnübergänge waren wir gewohnt, Bahnübergänge ohne Licht eben nicht mehr.

Fazit: Es stimmt: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier! Und Der Hund auch!


Autos...

So viele in die Jahre gekommene Autos wie in Ungarn habe ich in Deutschland nicht gesehen. Sie erhalten wohl eine gute Pflege und werden gefahren bis sie auseinanderfallen.

Zwei Kategorien von Autofahrern – außer solchen, die sich unauffällig im Straßenverkehr verhalten – sind mir aufgefallen: Raser und Schleicher. Er gibt mehr Raser als Schleicher, aber beide sind hinderlich im Verkehrsalltag.

Das Rasen zeigt sich nicht nur im schnellen Fahren, riskant sind vor allem die Überholmanöver. Als wir unseren Dienst hier antraten, wurden wir schon gewarnt, dass wir bei jedem Überholmanöver sehr aufpassen müssten, dass wir nicht dabei selbst überholt werden. Oder am Zebrastreifen halten die Autos auf beiden Seiten, nur der dritte hinter mir schießt vor und fährt einfach über den Fußgängerüberweg.

Und nun zu den Schleichern, die fahren dreißig im Höchstfall und der Laster hinter mir, sitzt mir auf meiner Stoßstange. Warum schleichen? Ältere oder Jüngere, die sich nicht trauen, zu fahren und dann noch die altertümlichen Autos – viele Gründe langsam zu machen; aber trotzdem ein Verkehrshindernis!

Im Sommer haben bei uns am Balaton erfahren Kollegen aus der Auslandsarbeit über einige Wochen Gottesdienste gehalten. Sie kennen die Fahrgewohnheiten in Deutschland und in vielen anderen Ländern, sie waren sehr erstaunt über die hier gängig scheinende Fahrpraxis. So etwas hätten sie noch nicht erlebt.

Wie die Ungarn so landläufig zum Auto stehen, habe ich nicht herausbekommen. Aber aufgefallen ist mir, das die Häuser fast um die Garage gebaut werden. Die Garagen sind groß und sozusagen im Haus und mit Dach. Aufwändige Platzverschwendung meine ich – den Ungarn geht das offensichtlich anders.

Die deutsche Automobilindustrie ist durchaus präsent in Ungarn und Arbeitgeber für viele Menschen.

„Dein Auto – das unbekannte Wesen“- oder eher der Fahrzeuglenker.


Weihnachten in Ungarn

So viele in die Jahre gekommene Autos wie in Ungarn habe ich in Deutschland nicht gesehen. Sie erhalten wohl eine gute Pflege und werden gefahren bis sie auseinanderfallen. 

Eine amerikanische oder deutsche Weihnachtsmarkt“kultur“ z. B. findet sich in Ungarn nicht, ausgenommen ist die Großstadt Budapest.

Es gibt vereinzelte Weihnachtsmärkte, die nur einen Tag dauern und deren Größenordnung mit unseren auch in den kleineren Städten oder Dörfern, wie Deidesheim, nicht zu vergleichen sind, denn sie sind viel kleiner. Auch gibt es keine Hinweisschilder, die auf die Veranstaltungen aufmerksam machen. In Zeitungen werden sie manchmal angekündigt, das scheint als Information zu reichen. Ortsunkundige müssen suchen. In einen fremden Ort fahren und auf Schilder hoffen, das kann man zwar tun, aber man wird keine finden.

Was ich zu Beginn meines Dienstes in Ungarn noch vergeblich suchte, waren Adventskalender, die bei uns Zuhause in Deutschland zuhauf verkauft werden oder deren Türchen im Radio, an der Haustür (lebendiger Adventskalender), in der Zeitung geöffnet werden. In dem Teil Ungarns, in dem wir leben, habe ich sie in den Geschäften vergeblich gesucht. Inzwischen verkaufen die großen Discounter Adventskalender aus Deutschland. Auch der Brauch die Häuser mit Lichterketten zu schmücken, hat erst in den letzten Jahren Einzug gehalten.

Weihnachten ist in den Gemeinden in Deutschland immer etwas Besonderes, die Kirchen sind voll. Was Menschen zu diesem Zeitpunkt in die Kirchen treibt, ist sehr unterschiedlich. Auf jeden Fall ist es eine Suche nach etwas, nach Geborgenheit, Heilsein oder was auch immer. Für mache gehört der Besuch des Gottesdienstes einfach nur dazu.

In den Auslandsgemeinden ist man stärker auseinander angewiesen als in den Gemeinden in Deutschland. Das erklärt mir, dass hier bei uns in unserer Auslandgemeinde, Weihnachten Gestalt annimmt, so wie ich es mir vorstelle.

Unterwegs zu einem Hausbesuch werden wir im Auto durch Winken angehalten, ein Ungar bedeutet uns, dass er etwas für uns hat. Seine deutschen Nachbarn, die in der Heimat sind, haben ihn beauftragt, uns abzupassen. Er hat uns zwei schwere und prall gefüllte Tüten mit Nahrungsmitteln und Süßigkeiten überreicht. Wir sollten sie Menschen aus der Gemeinde zukommen lassen, die eine Zuwendung gebrauchen könnten. Als wir die Tüten in den Händen hielten, fielen uns sofort die Namen der Menschen ein, die sich sehr freuen würden.

Dass Weihnachten Gemeinschaft bedeutet, zeigt sich daran, dass sich einige von den Deutschen, die Weihnachten in Ungarn verbringen, zusammenfinden, um das Fest gemeinsam zu begehen. Das sind private Initiativen. In den Nachrichten aus Deutschland werden gerade Obdachlosenspeisungen besonders hervorgehoben, weil sie auf einer rein privaten Initiative beruhen.  Bei uns muss alles privat organisiert werden.

Die Gemeinde richtet jeden der vier Sonntage ein Adventscafé aus und organisierte einen großen Weihnachtsmarkt nach heimatlichem Vorbild. Viele Residenten und auch Ungarn nahmen daran teil, die weihnachtliche Stimmung erreichte jedes Herz. Ebenso besonders gut besucht ist der Heilig Abend Gottesdienst, in dem das Licht von Betlehem weitergegeben wird.

Bei den Reformierten und Lutheranern in Ungarn ist ein Gottesdienst zum 24.12 nicht selbstverständlich oder besser gesagt unüblich. Der eigentliche Weihnachtsgottesdienst findet am 25.12 morgens statt. Am 25. und 26. Dezember wird durch das Land gereist und die Verwandtschaft besucht.

 Am 24.12 wird im engsten Familienkreis gefeiert. Es ist nicht üblich mit Freunden und Bekannten Weihnachten zu feiern.  Es gibt keinen Kartoffelsalat mit Würstchen. Am Abend wird Fischsuppe, Fisch aller Art, allerdings kein Meeresfisch und / oder Kohlroulade und als Nachspeise Bejgli [Walnussrolle (Diós bejgli) oder Mohnrolle (Mákos bejgli)] verspeist. Bejgli kommen aus der schlesischen Küche und werden in Ungarn traditionell zur Weihnachtszeit gegessen.

Die übliche ungarische Weihnachtsdekoration besteht aus Walnüssen, Haselnüssen, Strohsterne und Strohfiguren, getrockneten Orangenscheiben / Orangenringe, Äpfel und „Salonzucker“, das ist einzeln verpackte Süßigkeit, die es überall zu kaufen gibt.

Der deutsche Stollen ist unbekannt.

Es werden auch Tannenzapfen an den Baum gehängt. Früher waren Wunderkerzen und echte kleine Kerzen am Baum gebräuchlich, das erinnert an das Weihnachten der 50er Jahre in Deutschland.

Was wünschen sich die Ungarn zu Weihnachten (Weihnachtsgruß):

Traditionell heißt es:

Áldott Karácsonyt (gesegnete Weihnachten)

Áldott, békés Karácsonyt (gesegnete friedliche Weihnachten)

Heutzutage oft:

Kellemes ünnepeket (angenehme Feiertage)

Boldog Karácsonyi ünnepeket (Glückliche Weihnachtsfeiertage)

In unserer Auslandsgemeinde am Balaton und in Héviz bringen die Vertreter der Pfadfinder jedes Jahr das Weihnachtslicht aus Jerusalem, die weltweite Verbundenheit wird sichtbar und auch spürbar. Die deutschen Weihnachtlieder bezaubern alle durch den Klang der Heimat.

Weihnachten feiern, bedeutet Heimat zu spüren, Gemeinschaft und Zusammenhalt im Glauben.



Von Frisören, Nagelstudios, etc.

Es gibt alles, was man braucht oder nicht braucht auch in Ungarn, auch wenn das bei Deutschen, die ungarnunkundig sind auf großes Erstaunen trifft.

Frisörsalon kann man erwarten. Die Dichte der Nagelstudios übertrifft allerdings das „haarige“ Angebot. Also poppige oder etwas weniger auffällige Gel-Nägel zu haben, ist auch in dieser Region Ungarns der Hit. Die Qualität der Arbeit dieser Studios kann ich nicht beurteilen, da ich ihre Dienste nicht in Anspruch nehme.

Aber zum Frisör muss ich gehen. Die Palette der Möglichkeiten ist nicht so groß wie in Deutschland. Da sprießen die Frisörläden aus dem Boden, dort kann ich mir die Haare machen lassen im Preissegment bei Waschen, Schneiden, Färben und Föhnen zwischen 30 Euro und 130 Euro. Die Preise differieren in Ungarn auch recht stark. Über anderthalb Jahre machte mir eine Ungarin in ihrem sehr einfach ausgestatteten Laden für kleines Geld die Haare. Ich wechselte zu einem, ein wenig besser ausgestatteten Geschäft, das mir viel mehr Geld abnahm, fast schon deutsche Preise, nämlich umgerechnet 60 Euro pro Sitzung. Die vorgehende Frisöse bekam das mit der Farbe immer gut hin. Die neue hatte sich die Nummer der Farbe, die meinen Kopf zieren sollte, auch aufgeschrieben; aber siehe da, eines Tages hatte ich eine andere Farbe auf dem Kopf. Das war das Ende der kurzen teuren Freundschaft und ich war ganz froh, nach Deutschland zu kommen, um dort zum Frisör zu gehen. Das hat sich auch gelohnt, die Einrichtungen der Läden sind doch komfortabler und das mit der Farbe bekommen sie auch gut hin. 80 Euro habe ich gezahlt, für deutsche Verhältnisse ein Schnäppchen, wenn man nicht in die Billigfrisörläden geht. Der Verdacht legt sich nahe, dass meine letzte Frisörerfahrung in Ungarn, deshalb so teuer bezahlt werden musste, weil ich Ausländerin war.

Eine Nachbarin erzählte, dass die ungarischen Frisöre das „tönen“ nicht kennen würden. Das fällt mir schwer zu glauben, da die großen Drogerieketten das Land erobert haben, und da gibt es sehr wohl Tönungen zu kaufen. Gesichtet wurden von mir bisher: DM, Müller, Rossmann. Müller so flüsterte man uns, habe ganz besondere Beziehungen zu Ungarn, ihm würde das Traditionskaffee in Budapest gehören.

Fazit für mich: Lieber Nägel machen lassen als den Kopf hinhalten. Also doch Ge-Nägel – oder was?


Coronavirus (Covid-19) oder Toilettenpapierhysterie

Bergeweise werden sie abgefahren, in großen Lagergebinden abgepackt, die Clopapierrollen. Das ist nicht nur hier bei uns in Ungarn so, sondern auch in Deutschland. Wer weiß, wo noch? Kein Mensch ahnt, was Einzelne mit so viel Toilettenpapier machen wollen. Es grassiert offensichtlich die Angst, dass Toilettenpapier  knapp wird. Oder vielleicht ist nicht nur der Virus ansteckend, sondern auch die Sucht Clopapier zu kaufen. Einer tut es und fast alle machen es nach.

Nicht überall auf der Welt wird Toilettenpapier zur Körperhygiene benutzt; es gibt Wasser, die linke Hand, wie auch in früheren Zeiten bei uns, etc..

Es ist belustigend, diesen Einkaufshype zu beobachten. Er reizte mich zur „intimen“ Frage an meine Tenniskollegen, ob sie sich denn auch schon mit lebenswichtigem Clopapier eingedeckt hätten. Natürlich macht das keiner von uns. Aber als mein Mann und ich einkaufen waren, griffen wir doch verschämt nach noch einer Packung, auch, wenn zuhause schon eine wartete. Ansteckung? Nachahmungstrieb?

Die Erfindung des Toilettenpapiers ist nicht neu. Was zuerst Stofffetzen und -taten, erledigt später das Papier, auch Zeitungspapier, je nachdem, was gerade griffbereit war. Archäologische Funde besagen, das wohl in frühester Zeit, Blattwerk zur Hinterteilreinigung benutzt wurde. In vielen Kulturen war und ist die linke Hand der Körperreinigung zugeordnet, die rechte dem Essen.

Übrigens ist die „toilettenpapier-Panik“ nicht einzigartig, denn schon 1973 gab es während der Ölkrise in Japan Hamsterkäufe. Das Gerücht aufgrund der Beschränkung der Ölimporte könne es zu einer Verkappung von Toilettenpapier kommen, machte die Runde.

Aber es gibt auch ganz profane Gründe, Clopapier zu horten. Ein Mann, befragt auf sein Handeln, meinte, dass er solange es möglich sei, die Farbe seines Papiers selbst bestimmen wolle.

Und nun Hand aufs Herz: Wie sieht es bei Ihnen mit der entsprechenden Bevorratung aus? Nein, wirklich, noch nicht gehamstert? Dann aber jetzt nichts wie raus, das Erlebnis darf man sich nicht entgehen lassen!


Nach der Krise ist vor der Krise oder wie auch immer?

Beim Lesen in den neueren soziologischen Einschätzungen unserer Gesellschaft, stieß ich auf das Wort: Idiosynkrasie. Ich hatte es schon einmal gehört oder gelesen, war mir seiner Bedeutung aber nicht sicher. Ein Zusammenhang fiel mir ein, dass durch eine unbedachte Diagnose ein Krankheitsempfinden ausgelöst werden kann. Das passte als Bedeutung aber nicht. Nun, im Zusammenhang mit der Soziologie bedeutet es weniger Überempfindlichkeit als eher Eigentümlichkeit, fand ich heraus.

Also so etwas Ähnliches wie Eigentümlichkeiten werden zum Trend und definieren eine soziale Gruppe. Die individuelle Darstellung wird zum wichtigen Wert im Leben, soweit eine Theorie zu unserer Gesellschaft.

Das Clopapierhorten während der Coronakrise hat sich nicht zum Dauerhype entwickelt und ich verspreche nicht über die Überproduktion von Toilettenpapier nach Corona zu schreiben, was aber vielleicht lohnend wäre.

Vielmehr möchte ich der bisher in der Diskussion zu kurz gekommene Lippenstiftindustrie ins rechte Licht rücken. Ihr Leiden soll nun endlich Gehör finden.

Wieso? Davon haben wir noch nicht gehört, werden Einige anmerken. Da muss ich dann zurückfragen: Wer von ihnen war mit Mund- und Nasenschutz nach dem Auftragen eines Lippenstiftes unterwegs? Die wenigsten von Ihnen? Okay! Das Selbstexperiment hat ergeben, dass es eine größere Schweinerei ist. Kaum habe ich die Maske zum Einkaufen aufgezogen, war meine weiße Baumwollmaske rötlich angeschimmert. Nach dem Abziehen vergrößerte sich die Malheure, und zwar nicht nur auf dem Mund- und Nasenschutz sondern auch auf meinem Gesicht.

Ich verbinde damit nun die Befürchtung, dass ein weiterer Industriezweig, die Lippenstiftproduktion unterstützt werden muss. Man denke nur an die Zulieferer, wie Creme- und Farbproduzenten.

Die unabsehbaren Folgen einer schwierigen Lage.


"Altwerden ist gerade noch erlaubt, aber man sieht es nicht gerne.“ (Dieter Hildebrandt)

Zu meinem 66igsten Lebensjahr erreichte mich ein Glückwunsch per Email. Im Betreff hieß es: Ein Hoch auf das Alter. Im Text ging es folgendermaßen weiter:    

"Lassen Sie uns das Alter feiern.    

Sehr geehrte Frau Dr. Gaertner-Schultz,    

wir wünschen Ihnen alles Gute zum Geburtstag. Ein neues Lebensjahr wartet bereits darauf, mit Erinnerungen und Geschichten gefüllt zu werden. Denn ein Jahr älter heißt auch ein Jahr reicher an Erfahrungen. Dafür haben wir fünf Ziele herausgesucht, die das Alter von der schönsten Seite zeigen.“

Empfohlen wurden unter anderem die älteste Stadt, das älteste Weingut und als Alters-Fun-Fact, eine 300 Jahre alte Straße Deutschland, die nur 31 cm breit ist.

Okay, als offensichtlich alte Dame darf ich mir jetzt das Wörterbuch holen, um zu wissen was Alters-Fun-Fact ist. Nun ich fand nur Fun-Fact erklärt auf www.bedeutungonline.de/was-bedeutet-fun-fact-auf-deutsch ..“.Als „Fun Facts“ wird unnützes Faktenwissen bezeichnet, dass in Gesprächen beeindrucken und unterhalten kann, aber im Alltag keine Anwendung findet oder für den Alltag relevant ist.“

Unnützes Faktenwissen für alte Leute mit dem ich aber angeben kann – Danke Bahn!

Meine Familie sang mir zum Geburtstag das Ständchen: „Mit 66 Jahre da hat man Spaß daran, mit 66 Jahren ist noch lange nicht Schluss.“ Wie unterschiedlich doch die Alterseinschätzungen sind. Ein Hoch auf das Alter oder es geht jetzt erst richtig los.

Ein Gespräch mit Menschen um die 60zig Jahre zeigt, wie unterschiedlich die Alterswahrnehmungen von anderen einem selbst gegenüber sind, und wie das innere Erleben des kalendarischen Alten ist. Alle Gesprächspartnerinnen fühlten sich deutlich jünger, lebendiger und noch gar nicht alt.

Da das Alter und die Altersbilder in der Gesellschaft nicht positiv besetzt sind, kratzt der Text der Deutschen Bahn:“ Ein Hoch auf das Alter“ schon an meinem Ego.

Die Überschrift im Text macht es auch nicht besser: „Lassen Sie uns das Alter feiern“, das hört sich an, wie die Pflegekraft, die es wohl früher gegeben haben muss, und die ins Zimmer kommt und fragt: „Wie geht es und denn heute“.  Wer von der Bahn kommt denn vorbei und bereist mit mir die Altersstätten?

Vielen Dank Deutsche Bahn für den Glückwunsch – bitte behalte ihn!


Der, die, das?

Das neuartige Coronavirus macht Schlagzeilen und die Berichterstattung darüber verunsichert manchen Zeitungsleser, Radiohörer und Fernsehzuschauerinnen auch in sprachlicher Hinsicht: Mal heißt es in den Nachrichten der Virus, mal das Virus. Was ist nun korrekt?

Der Duden schreibt: „Der Virus oder das Virus? Offenbar ist bei einem Virus das Geschlecht ebenso wandelbar wie seine Oberflächenstruktur. Und richtig: Ein Virus ist nicht nur in medizinischer, sondern auch in sprachlicher Hinsicht ein Verwandlungskünstler.

Als Fachbegriff fand besagter Krankheitserreger zunächst als das Virus Eingang in die deutsche Sprache. Das ist typisch für bildungssprachliche Entlehnungen: Sie behalten zunächst ihr ursprüngliches Geschlecht bei. Mediziner und Seuchenspezialisten verwendeten Virus also als Substantiv sächlichen Geschlechts und blieben damit sehr nahe am lateinischen Ursprung: Mit dem sächlichen Hauptwort virus bezeichneten die alten Römer Schleim, Saft oder Gift.

Doch wie ein Virus passt sich auch eine bildungssprachliche Entlehnung allmählich an ihre neue Umgebung an. Je häufiger sie in der Alltagssprache verwendet wird, desto eher wird ihr Geschlecht dem angepasst, was gewohnt und üblich klingt. Da Substantive auf -us meist männlich sind, wurde das Virus allmählich zu der Virus. Heute existieren in der Alltagssprache beide Formen nebeneinander und beide gelten als korrekt. In der Fachsprache dagegen blieb es bei der ursprünglichen sächlichen Form: das Virus.“

Wie sehr doch Sprache und beschriebener Gegenstand zusammenpassen- beides wandelbar. Anpassungsfähig auf das wandelbare Etwas zeigt sich notgedrungen unsere Welt. Das führt dann manchmal auch zu verwirrenden Sprachpurzelbäumen. Z.B. entdeckte ich in Österreich folgenden Hinweis:
















Das Baby muss gewickelt werden, dazu ist der Wickelraum da. Nur zum Wickeln kann man nicht einzeln eintreten.


Niemals geht man so ganz!

Ein rauschendes Fest zur Ehre Gottes begann Ende August mit einem Gottesdienst im Grünen an der alten Mühle in Kehidakustány. Über 70 Menschen hatten sich zusammengefunden, um sich vom ihrer Pfarrerin Dr. Heiderose Gärtner-Schultz und ihrem Ehemann zu verabschieden. 4 Jahre lang habe die beiden in der Deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde Balaton-Héviz gewirkt. Die seelsorgerlichen und pastoralen Aufgaben wurden, wie Gottesdienste, Trauungen und Beerdigungen von der Pfarrerin übernommen. Zu den besonderen Herausforderungen in der letzten Zeit gehörten dazu die Online-Gottesdienste Sonntag für Sonntag in den schlimmen Corona Monaten.

Uwe Schultz widmete sich in besonderer Weise der Pflege der Gemeinschaft. Sein Part war es Wanderungen, Kino- oder Bingo Abende anzubieten. Herausragende Ereignisse waren die Basare, die Sommerfeste und den Weihnachtsmarkt, sowie ein lustiges Wettkochen zwischen der Gemeinde vor Ort und der Partnergemeinde in Pfungstadt-Hahn, die er organisierte.

„Eine wunderschöne Zeit der Gemeinschaft, der Nähe und des gemeinsamen Glaubens geht zu Ende“ betonte Gärtner-Schultz in der Predigt. Uwe Schultz erbat sich, dass nur Freudentränen fließen sollten. So etliche Tränchen wurden verschämt aus den Augenwinkeln gewischt. Viele lassen die beiden ungern ziehen und so wurde auf den Beatlessong „We love you“ gesungen: „Oh ja, wie love you, schöner kann es gar nicht sein.“

Unter den zahlreichen Gästen befanden sich auch Personen aus Deutschland, die extra eingereist waren. Auf die Frage, warum beide gehen würden, kam mit einem Schmunzeln die Antwort: „Wir haben uns sozusagen wegrationalisiert.“ Beide haben zusammen die Gemeinde aufgebaut und sie ist jetzt in einem so guten Zustand, dass die Evangelische Kirche in Deutschland bereit war, eine volle Pfarrstelle für wiederum 4 Jahre einzurichten. Die Nachfolge tritt Pfarrerin Mick-Solle aus Hessen am 01.09.2020 an. Gärtner-Schultz verbleibt noch einige Zeit als Vorsitzende im Kirchenvorstand.

Ein Stück von uns bleibt da, davon sind Uwe und Heiderose überzeugt.“ So mancher Glaubenssamen, den wir säten, ist zu einem kleinen Pflänzchen geworden – was wollen wir mehr? Wir sind reich beschenkt.“


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