Traum


"Der Traum ist der beste Beweis dafür, dass wir nicht so fest in unsere Haut eingeschlossen sind, wie es scheint.“ Friedrich Hebbel. Die wache Welt unseres Bewusstseins wird ergänzt durch eine andere Welt, die uns im Traum begegnet. Sehr real sind im Traum die Freuden, Gewalten oder Bedrohungen, die uns begegnen. Was sind Träume? Werden sie in unserem Gehirn produziert oder verbirgt sich mehr dahinter, sind es Botschaften von woanders her?

In der Bibel spielen Träume eine nicht unwesentliche Rolle. Sie geben Gottes Willen und seine Botschaft an die Menschen weiter.

Im  Alten Testament träumt Josef (Gen 37, 8ff), dass er und seine Brüder Garben binden und dass die Garben seiner Geschwister sich vor seinen Garben verneigen. In einem anderen Traum verneigt sich Sonne und Mond vor ihm. Er erzählt diese Träume seinen Brüdern, die daraufhin offensichtlich Angst bekommen, dass diese Träume wahr werden könnten und Josef, einer der jüngeren Brüder, zu jemand werden könnte, den sie verehren müssten. Daher beschließen sie, ihn zu töten, was misslingt.

Josef scheinen Träume vertraut zu sein, er weiß um ihre Bedeutung, ihren Gehalt, denn er legt auch Träume aus. (Gen 40). Träume zu deuten ist eine Gabe Gottes. Es wird bekannt, das Josef diese Gabe hat und der Pharao holt ihn, um seine Träume zu deuten (Gen 41). Aus den Traumerzählungen des Pharao liest Josef sieben gute und sieben schlechte Jahre heraus, die kommen würden. Diese Deutung ermöglicht voraussichtige Vorratsplanung.  Dafür kommt er zu Ehren.

Von diesen, in der Bibel berichteten Träumen kann man nicht sagen, dass sie „Schäume“ sind. Die Interpretationen der Träume von Josef werden Wirklichkeit. In Josefs Familie ist der lebendige Umgang mit Träumen verankert, denn auch sein Vater Jakob ist einer, dem sich die Wahrheit im Traum offenbart. Er sieht eine Leiter, die Himmel und Erde verbindet und die Engel steigen auf ihr auf und ab (Gen 28). Gott erscheint ihm und sagt ihm, dass er und seine Nachkommen, Land haben werden, dass die Erde, auf der er liege, ihm eines Tages gehören werde. Bisher besitzt er kein Land. Umherziehende Nomaden sind sie, Landbesitz sind ein wichtiges Ziel für ein Volk, das sesshaft werden will.


Sind Träume „Schäume“ oder haben sie eine Bedeutung? Die Doppeldeutigkeit von Träumen, dass sie trügen können oder Visionen in sich tragen, die nach Verwirklichung drängen, zeigt sich im Alten Testament. Als Josefs Brüder, Josefs als „Träumer“, als weltfremd abtun, kommt das abwertende Verständnis von Träumen zum Tragen. Wenn der Psalm 126,1 von den erlösten Gefangenen Zions als von denen spricht, „die sein werden, wie die Träumenden“ , dann hat sich ein großes Ziel, eine Vision, verwirklicht. Das Träumen ist positiv konnotiert.

Gott greift auch im Neuen Testament durch Träume in die Geschichte ein, so berichten es die biblischen Erzähler. Am Anfang des Matthäusevangeliums ist von einem Traum die Rede. Josef, der zum Ziehvater Jesu wird, der zu Anfang nicht weiß, wie ihm geschieht, akzeptiert seine Vaterschaft durch Gottes Hinweise im Traum (Mt 1,20-22). Er, der einfache Mann erlebt Gott im Traum und wird trotz seines Nichtverstehens dessen, was passiert, zum Beschützer des göttlichen Kindes. Dann sind bei Matthäus sozusagen die Gelehrten an der Reihe. Die Sterndeuter, die zu Jesus Geburt aus dem Osten kommen, suchen Jesus im Hause von Herodes. Dort finden sie Jesus nicht und Herodes trägt ihnen auf, zu ihm zurück zu kehren und ihm zu sagen, wo er das Kind finden könne. Herodes hegt in seinem Inneren den Wunsch, den Aufenthaltsort des Kindes zu erfahren, um ihn, den vermeintlichen Konkurrenten, zu töten. Das sagt er den Weisen nicht. Sie erhalten im Traum die göttliche Weisung, nicht zu Herodes zurückzukehren (Mt 2,12). Sie befolgen die Botschaft des Traums und vermeiden so die Gefahr, die dem Kind droht.

Gegen Ende des Matthäusevangeliums geht es wieder um einen Traum und die Deutung dessen. Die Frau des Pilatus hat einen schweren Traum vor der Tötung Jesu, so dass sie zur Überzeugung gelangt, dass Jesus unschuldig ist und versucht ihren Mann umzustimmen (Mt 27,19).

Heute geht man davon aus, dass Träume aus dem Unterbewusstsein des Menschen stammen, sie werden gespeist aus archetypischem, unbewussten Erfahrungen, intuitivem und bewusst Erlebtem. Diese Definition schließt aus meiner Sicht nicht aus, dass Gott uns auch heute noch im Traum begegnet.

 

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