Dietrich Bonhoeffer


„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag“, diese Verse sind Bonhoeffers Vermächtnis, sie sind die letzten Zeilen, die er vor seinem gewaltsamen Tod 1945 durch das Naziregime geschrieben hatte. In wenigen Worten, die bis heute die Menschen bewegen und berühren, fasste er seinen Glauben zusammen. Leben oder Sterben, beides sind bestimmt durch Gottes Präsenz. Bonhoeffer hat in den wenigen Jahren, in denen er Theologie lehrte oder als Pfarrer tätig war bis heute eine bleibende Wirkung. Gerade seine Überlegungen zum „religionslosen Christentum“ prägen in vielen Bereichen die aktuelle Diskussion über den Weg der Kirche. 2015 erschien erneut eine Biographie amerikanischen Theologieprofessors Charles Marsh „Dietrich Bonhoeffer, der verklärte Fremde“.

Das Leben Bonhoeffers begann 1906, er wuchs in einer vom protestantischen Bürgertum geprägten Familie mit sechs Geschwistern auf. Behütet war seine Kindheit und Jugend und niemand konnte ahnen, wie dunkel die Lebenswolken waren, die sich über ihm zusammenzogen. Früh zeigten sich seine vielfältigen Begabungen und ebenso zeitig entschied er sich, Theologie zu studieren, obwohl sein Vater, der in Berlin den Lehrstuhl für Psychiatrie und Neurologie inne hatte, dieser Entscheidung skeptisch gegenüber stand. Seine Ausbildung war vielfältig und er habilitierte sich schon mit 25 Jahren. Er lehrte und arbeitete zum Teil im Ausland, die Verhältnisse, die er z. B. in USA vorfand, dieser Besuch „erdeten“ ihn, weil er das Elend und den tiefen Glauben vieler Gemeinden erlebte. Die Weltwirtschaftskrise hatten meist Afroamerikaner und Farmer in tiefe Krisen gestürzt.1935 übernahm er die Leitung des Predigerseminars der bekennenden Kirche. Er erlebte, wie mit Kriegsbeginn, Freunde und Brüder der Bekennenden Kirche eingezogen wurden und oft früh im Kampf fielen. Im Haus seiner Eltern versammelten sich Menschen, die dem Regime Widerstand bieten wollten. Auch Bonhoeffer war ein reger Teilnehmer bei diesen Treffen. 1943 wurden seine Schwester, sein Schwager und sein Bruder Klaus und er festgenommen. Ihnen wurde Umgehung von Kriegsdienst und subversives Verhalten vorgeworfen. Er war 37 Jahre alt. Die nächsten Monate bewegte er sich zwischen Hoffnung auf Entlassung und Befürchtung eines gewaltsamen Todes.


Seelsorge und Ethik, beratende Seelsorge

Dietrich Bonhoeffer ist bis heute einer der bekanntesten Theologen, obwohl er nur 37 Jahre alt wurde. Sein Leben und seine theologischen Erwägungen allerdings sind zeitlos, bzw. in besonderer Weise für die heutige Situation aktuell. Drei Punkte werden herausgegriffen und angerissen. Sein Leben wandelte sich vom Pazifisten zu einem, der sich mit dem Thema des „Tyrannenmords“ beschäftigte. Er schrieb: „Wenn ein Wahnsinniger mit dem Auto durch die Straßen rast, kann ich als Pastor, der anwesend ist, nicht nur die Überfahrenen trösten oder beerdigen, sondern ich muss dazwischen springen und ihn stoppen.“ Seiner Meinung nach, war es nötig, den Tyrannen, Hitler zu töten. Trotzdem bleibt der Handelnde schuldig, auch wenn er viele Menschen schützt. Er selbst war nicht in der Lage Hitler zu liquidieren, aber er unterstütze diejenigen, die es versuchten.

Als Zweites seien Bonhoeffer Überlegungen zum religionslosen Christentum und zum Gottesbild erwähnt. „Die Zeit, in der man das den Menschen durch Worte – seien es theologische oder fromme Worte - sagen könnte, ist vorüber, ebenso die Zeit der Innerlichkeit und des Gewissens, und d.h. eben die Zeit der Religion überhaupt. Wir gehen einer völlig religionslosen Zeit entgegen; die Menschen können einfach, so wie sie nun einmal sind, nicht mehr religiös sein.“ Die Unfassbarkeit Gottes übersteigt alle Erkenntnis und Erklärungsmöglichkeiten der Menschen. Das sind Themen von heute. Wie kann von Glaube und Gott gegenwärtig gesprochen werden weit über die Grenzen der verfassten Kirche hinaus?

Der dritte Themenkomplex Bonhoeffers, der bis heute nachwirkt, ist die Seelsorge. Auch in diesem Bereich kann man ihn als Vordenker verstehen. Seine Überlegungen sind als Vorläufer der Beratenden Seelsorge zu sehen. Denn für ihn ist seelsorgerliches Handeln nicht nur reine Verkündigung des Wortes Gottes. Er sprach von diakonischer Seelsorge und meinte damit, dass ein Seelsorger ein offenes Ohr haben sollte, bevor er zu reden anfängt. Es geht um die Not des anderen und darum Beistand, Hilfe und Trost zu bieten, weil der Ratsuchende im Mittelpunkt steht. Schlagwortartig gesprochen, geht es um eine Seelsorge von unten und nicht um eine Seelsorge von oben, die der Verkündigung des Wortes alles überlässt.


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