Alltagssellsoorge
Wo und wann nehmen Menschen die Gelegenheit wahr, ihr Herz auszuschütten? Z. B. beim Frisör, der Zeit hat, weil er sich um die Haare kümmern muss und zuhört. Seelsorge geschieht nicht nur mit Termin im abgeschlossenen Zimmer. Seelsorge geschieht sozusagen „nebenbei“ als Alltagsseelsorge, wie Eberhard Hauschild seine Überlegungen zur Seelsorge nennt.
Der 1958 Geborene ist Professor für Praktische Theologie in Bonn. Für ihn sind die Grenzen zwischen Alltagsgespräch und Seelsorge fließend. Während die verkündigende Seelsorge die Praxis des Predigens totalisierte und damit alle anderen Elemente ausblendete, wird bei der beratenden Seelsorge die Seelsorgepraxis in der Gemeinde, das Miteinander des Zuhörens und Sprechens, reduzierte. Denn es geht um die Perspektive der therapeutischen Behebung eines Defizits am Einzelnen. Diese beide Formen der Seelsorge haben folgendes gemeinsam: Sie bauen prinzipiell auf einer hoch spezialisierten Form des Gesprächs auf, die im Alltag in der Gemeinde eine eher untergeordnete Rolle spielt. Sie werden im tatsächlichen Kontext einer realen Gemeinde eher selten abgefragt. Die Diskrepanz zwischen den Ansprüchen an Seelsorge und der Trivialität des Alltags kann zur Ernüchterung führen, zum Beispiel bei Geburtstagsbesuchen: „Der Besuch des Pfarrers geht im Trubel der Feier und in der Menge der Gäste unter und bietet keine Möglichkeit zu wirklichem Gespräch oder gar zur Andacht.“ Dabei machen alltägliche Begegnungen zwischen Tür und Angel oder beim Einkaufen und alltägliche Gespräche, wie sie im Rahmen von Kasualien oder beim Geburtstagsbesuch zustande kommen, einen großen Teil der Arbeit des Seelsorgers aus. Dass diese Gespräche und Begegnungen seelsorgerlich nicht gering zu schätzen sind, hat Hauschildt nachgewiesen und den Blick für die seelsorgerliche Dimension des oft ungeliebten alltäglichen Geschäfts geschärft: „Alltagsseelsorge meint, die gewöhnlichen Gesprächsgelegenheiten und das normale Gesprächsverhalten zu achten, als eine eigene, zwar in ihren Leistungen begrenzte, aber doch voll gültige Erscheinung menschenzugewandten Christentums.“ In einem noch so belanglos wirkenden Gespräch kann Zuwendung zum Menschen vermittelt werden und ein Beziehungsangebot gemacht werden, das dem anderen gut tut.