Die Wüstenmönche des Mittelalters übten Seelsorge mit kurzen Sätzen (Apophthegmata) und Geschichten aus, die sie den Ratsuchenden mit auf den Weg gaben. Dass sie die richtigen Worte fanden, war bedingt durch ihren großen Erfahrungsschatz, den sie sich erarbeitet hatten und durch die Tiefe und Aufrichtigkeit ihres Glaubens, den sie in einsamer Klausur oder als spirituelle Gemeinschaft pflegten.
Ihre, für die Ratsuchenden hilfreichen und aufrüttelnden, Botschaften erwuchsen situativ aus der oft einmaligen Begegnung, in der die Seelen zweier Menschen ins Gespräch gekommen sind. Die Apophthegmata der Wüstenväter, die Sätze und Sprüche, die sie einem Menschen mitgaben und die ihm halfen in seinem Leben klar zu kommen, können als Wegweiser für eine neue zeitgemäße Beratungsform, der von mir entwickelten und hier dargestellten Kompaktberatung, angesehen werden (das Buch zu dem Thema erscheint bei Vandenhoeck und Ruprecht im Herbst 2017). Die von den Mönchen mitgegebenen Sentenzen wurden von den Fragenden oft nicht gleich verstanden. Sie waren aber gut zu merken und wurden in ihr Leben mitgenommen, wo sie diese Worte in ihrem Herzen bewegten. Die Zuwendung der Mönche in einer in der Regel einmaligen Begegnung, veränderte das Leben der Ratsuchenden.
Wie konnte so etwas das geschehen? Voraussetzung ist, das im Zusammenkommen von zweien immer auch ein Raum für das Dritte, den Heiligen Geist eröffnet wir. Aus dem Dialog wird ein Trialog. Da der Geist nach biblischen Aussagen weht, wo er will, kann sich der Seelsorger/in betend und aufnehmend verhalten, damit die Dimension des Heiligen Geistes die Herzen erreicht. Der Beratende kann sich durch Meditation und Kontemplation darauf vorbereiten, dass er sich das richtige Wort, die treffende Geschichte „zufallen“ lassen kann. Ein wichtiger Punkt gelingender Seelsorge ist die Dezentrierung, die Wegwendung des ins Gespräch eingebrachten Problems. Es wird nicht „unter den Tisch“ gekehrt, es geht um die Erfahrung, dass das Problem nicht den Menschen hat, sondern der Mensch ein Problem hat. Diese Form der Seelsorge, die manchmal nur aus einem Kontakt besteht, ist gerade für den heutigen pfarramtlichen Alltag von Bedeutung, denn ein Wort zur rechten Zeit kann Wunder wirken.