In eine Zeit großer Wirren, Veränderungen und Aufbrüche hinein wurde Eckhart von Hochheim, bekannt als Meister Eckhart, um 1260 in Thüringen geboren, er starb 1328 in Avignon. Seine Zeit war bewegt, weil der letzte Staufer starb, Papst Clemens V. verlegte seinen Sitz von Rom nach Avignon. Kirchlich lief der Kampf gegen Sekten und Häretiker auf vollen Touren und die Volksfrömmigkeit machte sich an Hostienfrömmigkeit und Heiligenverehrung fest. Er studierte Theologie und trat früh dem Dominikanerorden in Erfurt bei, den er später als Prior leitete. Als ein einflussreicher spätmittelalterlicher Theologe und Philosoph, der er war, wurde ihm unter anderem die Seelsorge der Schwesternschaft in seiner Region aufgetragen. Mit seinen Predigten erzielte er eine starke Wirkung und er setzte sich für eine konsequent spirituelle Lebenspraxis im Alltag ein, deshalb gilt er bis heute als Mystiker. Aufsehen erregten seine unkonventionellen, teils provozierend formulierten Aussagen und sein Widerspruch zu verbreiteten Überzeugungen. Nach langjähriger Tätigkeit im Dienst des Ordens wurde Eckhart erst in seinen letzten Lebensjahren wegen Häresie (Irrlehre, Abweichung von der Rechtgläubigkeit) denunziert und angeklagt. Der in Köln eingeleitete Inquisitionsprozess wurde am päpstlichen Hof in Avignon aufgerollt und zu Ende geführt. Eckhart starb vor dem Abschluss des Verfahrens. Da er sich von vornherein dem Urteil des Papstes unterworfen hatte, entging er als Person einer Einstufung als Häretiker, einige seiner Aussagen wurden als Irrlehren angesehen. Die unterschiedlichen Auffassungen von Eckhart und Kirche machten sich an der Gottesvorstellung fest. Wie die Verbindung von Gott und Mensch, Gott im Menschen zu verstehen ist, war unter anderem ein Streitpunkt. Für ihn war Gott in allen Dingen zu finden, in der Erfahrung, die ein Mensch macht, ist Gott spürbar und nicht im wissenschaftlichen Diskurs. Eckharts theologische Überzeugungen hatten Einfluss auf die spätmittelalterliche Spiritualität. Meister Eckhart war mit Leib und Seele Prediger und Seelsorger. Er verstand es den Blick seiner ihm anvertrauten Nonnen von den Werken wegzulenken auf die christliche Mitte und die praktizierte Frömmigkeit hin.
Der heute von vielen wiederentdeckte Mystiker Eckhart sorgte sich Zeit seines Lebens um die Seelen der Menschen.
Drei Irrtümer einer falschen Mystik waren Grundlage seiner seelsorglichen Interessen. Mit Gott eins werden enthebt nicht der Wirklichkeit des Alltag, des Leides und der Not. Der Gehorsam gegen Gott nimmt nicht das Empfinden von Schönheit und das Erleben von Hässlichkeit. Gottgefälliges, von der Mystik geprägtes Leben zieht sich nicht in die Einsamkeit zurück, sondern dient den Menschen. Ich denke an die moderne „Mystikerin“ Dorothee Sölle, die aus dem Rückzug zu Gott, politische Kraft gewann. Zu sich selbst und zu Gott finden waren für Eckhart Voraussetzungen zum „Bei den Anderen Sein“. Im Seelengrund ist Gott stets und unmittelbar anwesend. Für ihn ist Gott das Eine, das in allen Dingen gegenwärtig ist und gleichzeitig übersteigt er alles, was man begreifen kann. Durch die Öffnung dieser Welt auf den letzten Grund hin, kann das, was es in der Welt gibt nicht zum Gott, zum Götzen werden. Eckhart erlebte eine Renaissance seiner Überzeugungen in der Gegenwart. Sein Welt- und Gottesbild erschien Menschen von heute einer Nähe zum Zen Buddhismus zu enthalten.
Auch die heutigen modern anmutenden Diskussionen um ein non theistisches Gottesbild, also eine Gottesvorstellung, die ein Person-Sein Gottes ablehnt, gehen in die von Eckhart angedachte Richtung.
Dorothee Sölle hat sich für Innerlichkeit und Aktion eingesetzt, eins folgte für sie aus dem anderen. Durch unser Beten und Arbeiten, durch eine neue Form des ‚Ora et labora’ können und müssen wir mitwirken, dass die Schöpfung nicht zugrunde geht, dass die Welt gerechter werde. Gott ist uns besonders nahe in seiner geschundenen Kreatur, so hat es Dorothee Sölle gesehen. Beten, so sagte sie, heißt auch, mit Gott ringen, Gott nicht freisprechen, ihn nötigen, wie einst Jakob im Kampf mit dem Unbekannten, den er beschwor „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ „Gott so zu bedrängen, dass er Gott wird“, so drückte es Dorothee Sölle aus. Beides, das praktische Handeln und die Kontemplation, das Gebet, waren Eckhart als auch Sölle gleichermaßen wichtig, das eine wäre ohne das andere nicht möglich.