Beten


Beten im Alten Testament

Im Alten Testament ist das Beten so vielfältig wie das Leben selbst,  es wird bei Trauer gebetet: Hanna weint (1. Sam 1,10), als sie zu Gott betet,  um Hilfe und Errettung sowie bei Freude und  Erhörung. Beten und Leben, Leben und Beten sind nicht zu trennen, sie sind eine Einheit. Die Endstehung der Psalmen deckt einen langen Zeitraum ab.  Im Frühstadium waren es kurze Gebetsrufe: „Gelobt sie Jahwe, der euch aus der Hand der Ägypter gerettet hat.“ Sie werden dann zusammengefügt und zu Psalmen komponiert, die dann ihren Ort im gottesdienstlichen Geschehen haben.

Die Psalmen legen ein reiches Zeugnis über die Gebetspraxis der alttestamentlichen Menschen ab. Sie geben zu erkennen, dass das Gebet kein abgehobener religiöser Akt ist, sondern die Möglichkeit, sich mit dem Leben auseinander zu setzen. Sie berichten, wie die Israeliten Gott klagten, was im Leben schief lief und worunter sie litten. Das Gebet beginnt oft mit der Klage über die Situation, die Gott (hebräisch JHWH) geschickt hat. Es kann dann das Bittgebet folgen, JHWH möge eingreifen und die missliche Lage ändern. Am Ende des Gebets kann der Lobpreis stehen, wenn der/die Betende zu einer inneren Klärung gekommen ist und bereit ist, das Leben auch so anzunehmen, wie es sich im Moment zeigt. Er/sie erkennt Gott als den Allmächtigen an, der den richtigen Weg weiß. ,,Gottes Überblick“ wird sozusagen anerkannt. Innerhalb eines Gebets, eines Psalms kann sowohl Klage, als auch Bitte und Lob vertreten sein. In der Regel unterscheidet man zwischen Klage- und Bittgebeten, Dank und Lobpreis.

Im Bitten und Danken ist der Mensch Subjekt, „wir danken dir, wir bitten dich…“. Im Klagen und Lobpreisen ist Gott das Subjekt, „wie lange bist du ferne, wie wunderbar sind deine Werke…“. Das hebräische Wort für Loben wird häufig mit Danken übersetzt, da es ursprünglich kein eigenes Wort dafür gab. Danken ist ein Element des Lobens.

Eine wichtige Voraussetzung des Gebets im alttestamentlichen Kontext besteht darin, dass die Initiative zum Gebet nicht beim Betenden sondern bei Gott liegt. Es ist Gott, der den Menschen führt, der den Mensch anspricht. Der Einzelne antwortet auf die Ansprache durch Gott, die sich u. a. in seiner Lebenssituation äußert, indem er betet. Jedes Bitten setzt das ,,Höre, Israel!“  („Sh‘ ma Israel“ 5. Mose 6,4) voraus. In diesem Aufruf wird die Gemeinschaft des Volkes Israel mit Gott angesprochen.  Das Gebet besteht  zuerst aus Wahrnehmen und Hören. Der Einzelne hört Gottes Ruf als Teil der Gemeinschaft, die JHWH auserwählt hat. Deshalb ist das Gebet auch eine gemeinschaftliche Aufgabe. Der Ort der Fürbitte ist die Gemeinschaft, in der sich der einzelne aufgehoben weiß. Für ihn wird gebetet, wenn es nötig ist, wenn er es möchte.

Beten im Neuen Testament

Das Verständnis des Gebets im Neuen Testament ist durch das Beten Jesu bestimmt. Jesus redet Gott im Vaterunser mit dem kindlich vertrauensvollen Kosenamen ,,Abba“, wir können es mit ‚Papi’ übersetzen, an. Das Vaterunser ist den Menschen als ,,das“ Gebet gegeben worden. Es enthält Lobpreis, Dank und die Bitte um das zum Leben Notwendige, das sowohl in Nahrungsmitteln als auch in der Vergebung besteht. Es stellt in die Gemeinschaft der Kinder Gottes  und verbindet durch die Hoffnung auf das Reich Gottes. Die frühe Christengemeinde, von der die Apostelgeschichte erzählt, hat die Gemeinschaft im Gebet und im Brotbrechen (Abendmahl)  im Blick (vgl. Apg 2,42).

In den Evangelien wird von Jesu Beten vor allem dann berichtet, wenn er vor wichtigen Aufgaben in seinem Leben steht. Er betet bei seiner Taufe (Lk 3,21), vor dem Beginn seiner Heilungstätigkeit (Lk 5,16) und fastet, als der Teufel in versuchen will (Mt 4,2). Fasten wird  in Verbindung Beten praktiziert, es intensiviert das Gespräch mit Gott, weil die Konzentration erhöht wird, die Ablenkung durch Essen entfällt. Schließlich betet Jesus im Garten Gethsemane, dass er vor seinem Schicksal verschont bleibe. Gleichzeitig ist er aber bereit, es so anzunehmen, wie Gott es will, das wird im Matthäus-Evangelium berichtet.

Das intensive Beten führt dazu, dass Jesus seine Situation, seinen Tod annehmen kann. Am Ende der Nacht weckt er seine Jünger, die eigentlich mit ihm beten sollten, auf und sagt: ,,Steht auf, lasst uns gehen!“ Aktiv nimmt er nun das Unausweichliche an (Mt 26, 36 – 46). Eine wichtige Zusage wird den Menschen gegeben: „Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wir euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Wer ist unter euch, der einem Menschen, der um Brot bittet, einen Stein bietet? Wenn ihr euren Kindern Gutes mitgebt, so könnt ihr davon ausgehen, dass Gott dies mit Sicherheit tut.“ (Mt 7, 7-11)


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