Theologie der Elwetritsche

Als der liebe Gott am 7.Tag ausruhte von seiner ganzen Arbeit, schließlich hatte er die ganze Welt gemacht, die Bäume und die Tiere und zum Schluss den Menschen, Mann und Frau, sein Meisterstück - das war schon Arbeit gewesen - gerade die Frau - so ein kompliziertes Wesen - ,  und der Mann - so ein harter Brocken-, war er redlich müde und abgekämpft und ein kleiner Schlummer übermannte ihn.

Das nahm das Geheimnis Gottes zur Gelegenheit, der Aufmerksamkeit seines Herrn zu entschlüpfen. Es machte sich selbstständig, erkundete ausführlich das Paradies und als dieses ihm langweilig wurde, spazierte es unbemerkt aus den Paradiestor hinaus. Als es sich umdrehte, waren die eisernen Tore verschlossen - so ein Schreck - was nun? Das Geheimnis rüttelte und schüttelte am Tor, nichts tat sich. Wie soll das nur weitergehen dachte das Geheimnis Gottes - wie soll ich außerhalb des Paradieses weiterleben? Ich habe doch gar keinen Körper. Doch falsch gedacht! Als es an sich hinunter schaute, sieh an, was sah es da? Eine merkwürdige Gestalt, so etwas wie eine Kreuzung aus Hühnern, Enten und Gänsen.  Federn und lederähnliche Hautstellen wechselten sich ab, was ein ungünstiges Bild ergab. Nur gut, dass das Geheimnis Gottes sich nicht ins Gesicht sehen konnte - dann wäre es noch mehr erschrocken! Hätte jemand das Tier gesehen, hätte er gerufen:“ Welch hässlicher Paradiesvogel“.

Für den hässlichen Paradiesvogel  war der Fluch der Flucht aus dem Paradies folgender: Er ist der am meisten gefährdete und gejagte Vogel auf der ganzen Welt. Die Menschen nennen ihn Elwetritsch, der Name ist so hässlich wie der Vogel selbst. Durch die ganzjährig erlaubte Jagd  auf die  Elwetritsche ist sie in Deutschland praktisch ausgestorben. Vereinzelt wurde sie gesehen: in der Pfalz, wo sonst? Denn dort ist bekanntlich das Tor zum Paradies.

Doch jetzt geht es ihr wirklich an den Kragen, es gibt eine neue Wissenschaft: die Kryptozoologie. Die Aufgabe dieser wissenschaftlichen Disziplin ist es, „sagenhafte“ Tiere aufzuspüren. Zurzeit ist man gerade auf der Spur des Tatzelwurms (Rheinpfalz, Sonntagsausgabe 16.10.2011). Wenn er gefunden werden sollte, wird nicht veröffentlicht wo, um unangemessenen  Kryptozoologietourismus zu vermeiden. Hoffen wir, dass die Elwetritsche sonntags keine Zeitung liest. Nicht, dass sich die letzte ihrer Art vor Schreck im Neustadter Elwetritschebrunnen ertränkt.


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