Altes Testament - Hiob


Kann man einen Menschen trösten, der so wir Hiob alles verloren hat? Wie können hilfreiche Worte gefunden werden? Hiob ist ein außergewöhnlicher Mensch, weil er von Gott in besonderer Weise auf die Probe gestellt wurde. Er verliert seinen Besitz, der als Zeichen galt dafür, dass er ein gutes Verhältnis zu Gott hat. Viele Teile des Alten Testaments  kennen den „Tun und Ergehen“ Zusammenhang. Wenn ein Mensch sich gerecht und fromm verhält, so kann man das daran erkennen, dass es ihm und seiner Familie gut geht. Bei Hiob verhält es sich anders. Er ist fromm und gesetzestreu und erleidet trotzdem Not und Leid. Seine Frau stirbt und er verliert seine Gesundheit. Er fragt sich, warum er so hart vom Schicksal getroffen wird? Als Kind seiner Zeit fragt er auch, warum Gott ihn bestraft? Er findet keine Antwort, er hat zeit seines Lebens versucht, ein gutes und frommes zu führen.

Im Buch Hiob versuchen seine Freunde, ihn zu trösten. Sie verstehen ebenso wenig wie er, warum es Hiob schlecht geht. Sie erleben, wie traurig Hiob ist und wie sehr er klagt und hadert: „Du, Gott, hättest mich gar nicht auf die Welt kommen lassen dürfen, wenn du vorgehabt hättest, mir dieses traurige Leben zu geben.“

Seine Freunde Elifas, Bildad und Zofar wollen ihn trösten und besuchen ihn deshalb. Elifas versucht es als erster. Er hört sich Hiobs Klage an und will es mit einer anderen Sichtweise angehen. Er rät ihm, sein Schicksal als Zucht, Zurechtweisung anzusehen und dieses dann „freundlich“ und nicht hadernd anzunehmen (Hiob 5,17,18). Hiob ist über die Einlassung seines Freundes entsetzt, er fühlt sich in seinem Schmerz und in seinem Kummer nicht ernst genommen, sein schreckliches Leid, seine Not wird verharmlost. Wie soll er annehmen, was ihm passiert ist, wo er das überhaupt nicht verstehen kann und er nicht sieht, wieso er das verdient hat. Der alttestamentliche Mensch ging davon aus, dass das, was ihm zu stößt mit ihm, seiner Frömmigkeit, seiner Lebensführung zu tun hat. Hiob fühlt sich im Recht, er hat alles richtig gemacht, es gibt keinen Grund für Gott ihn zu bestrafen. Für ihn ist die Klage, die seine Freunde nicht gelten lassen wollen, das „Stück Seelsorge“, das ihm hilft. Auch heutige Seelsorgekonzepte gehen davon aus, dass es für einen Menschen wichtig ist, die Klage und die Trauer über das Erlittene zuzulassen.

 

Hiobs Freunde geben ihre Seelsorgeversuche nicht auf, nach Elifas macht sich Bildad auf den Weg zu ihm. Auch er will ihn trösten, diesen Untröstlichen. Er argumentiert folgendermaßen: „Gott wird das schon richtig machen, du hast sicher irgendetwas falsch gemacht,  was du nicht mehr weißt, oder vielleicht auch deine Vorfahren. Dass du leidet ist sicher gerecht, nimm‘ es an.“ (Hiob 8, 3 und 4) Von Bildads Vorschlag ist Hiob ganz und gar nicht begeistert.

Wie kann der Freund sich anmaßen, sein Leben zu beurteilen? Wie kann er ihn für schuldig halten? Hiob kann mit dieser Form des Trosts nichts anfangen und fühlt sich  nicht verstanden, sein Kummer und sein Leid werden durch das Zureden seines Freundes noch vergrößert.

Der nächste versucht es: der Freund Zofar steht vor Hiobs Tür. Auch er will ihm beistehen, wie Freunde das so machen. „Gott weiß mehr als du weißt, Hiob. Er hat einen Grund so zu handeln, wie er an dir handelt (Hiob 11,6 und 7). Wieso hältst du dich für so weise, dass du das, was Gott schickt,  nicht annehmen willst? (Hiob 15,8).“

Ganz schön besserwisserisch und ermahnend kommt der Freund Zofar daher, allerdings ist es sein ernsthafter Versuch, Hiob zu trösten und zur Annahme seines Leides zu bewegen.  Auch  diese Argumentation kommt bei Hiob nicht an. Er verwehrt sich gegen das von Zafar Gesagte und wendet sich von seinen Freunden ab, von denen er sich nicht verstanden fühlt. Das ist bitter für Hiob, nun ist er ganz alleine, auch von seinen Freunden verlassen, so empfindet er das.

 Das, was die Freunde wollten, seelsorgerlich und tröstend beistehen, das ist ihnen   nicht gelungen. Sie haben Erklärungen gesucht, anstatt sich in Hiobs Lage und Gefühlswelt hinein zu versetzen, so wie er es sich gewünscht hätte. Gelungener Trost muss nicht argumentieren, er zeigt sich darin, das der Tröstende die Situation und die Sicht des Traurigen teilt, um ihm das Gefühl zu geben, dass man ihn und seine Perspektive versteht und nachfühlen kann, auch dann, wenn man persönlich die geschehenen Dinge anders einschätzt.  Also hätten Hiobs Freunde ihm sagen und zeigen können, dass sie seinen Kummer und sein Klagen nachvollziehen können und dass er das Recht auf seine Art der Trauer hat. Mit ihren Meinungen hätten sie aus Zuneigung hinter dem Berg halten können.


Bis heute sprechen wir von “Hiobsbotschaften“, wenn  man jemand anderen mitteilen muss, dass ihm etwas Schlimmes widerfahren ist. Hiob ist zur Symbolgestalt des Leides geworden. Gleichzeitig kann man für die heutige Zeit von Hiobs Umgang mit dem Leid lernen. In der Hioberzählung  finden sich Worte für Menschen, den es „die Sprache verschlagen hat“, Hiob lässt seiner Klage freien Lauf und ermutigt damit alle, die leiden, es ihm gleich zu tun, auch, wenn es bis heute manch‘ einem nicht schicklich erscheint als Glaubender zu klagen. Mit dem auf mich scheinheilig, bzw. hilflos wirkenden Beistand seiner Freunde, rechnet er gnadenlos ab: „Ihr sein allzumal leidige Tröster“ (Hiob 16,2), das ist auch bis heute ein  als Sprichwort bekannter Text  “Wie ist doch euer Trost so nichtig und eure Antworten – es bleibt nur die Falschheit.“(Hiob 21,34), richtet Hiob seine Freunde auf Weitere. Hiobs Freunde sehen sich in der Pflicht für Gott einzutreten, ihn von Hiob zu verteidigen, der in ihren Augen die Weltordnung ihrer Meinung nach in Frage stellt.  Es ist ein Konflikt der Sichtweisen, ein kommunikatives Problem, das beide Parteien haben. Daher können Hiob und seine Freunde nicht zusammenkommen. Hiob bahnt sich letztendlich alleine seinen Weg zurück ins Leben. Denn ein Reden von Gott, das vom Leiden unter Gottes Verborgenheit absieht, führt leicht zur seiner Verharmlosung sowie zur Beschönigung des Lebens, das haben die Einlassungen der Freunde gezeigt. Seine Klagen führen nicht zur Infragestellung aller Ordnungen, seine Klagen führen ihn, wie die biblische Erzählung zeigt, zu Gott zurück, denn der erträgt Hiob mit all‘ seinem Leid und seinen dahingeworfenen Worten.  Hiob findet in seinen harschen Klagen gegen Gott seinen Gott, der ihn trotz allem aushält und begleitet, wieder. Auf die Frage nach dem „Warum“, auf die Frage nach dem Sinn gibt es für ihn keine direkten Antworten, aber er wird über diese vordergründigen Fragen weiter hinausgeführt. Er erkennt, dass es auf die Warum-Frage keine Antwort gibt und das gilt bis heute für jeden Menschen. Auch ist der Sinn einzelner Situationen oft verborgen und auch im Nachhinein nicht immer zu erkennen. Der Mensch erlebt sich als einer, der ins Leben hineingeworfen ist.

 

Nicht die auf fromme Art und Weise ihren Gottesglauben verteidigenden Freunde, sondern Hiob wird am Ende des Buches bestätigt: Er, der aufbegehrende Rebell und Gotteslästerer hat recht geredet von und vor Gott.  Das Trösten der Freunde scheiterte an fehlendem Zuhören und mangelnder Empathie. Aber Gott gibt ihm nicht nur eine Antwort auf seine Klagen, er spendet den Trost, den die Freunde nicht geben konnten. Und dies in dreifacher Hinsicht. Einmal dadurch, dass er Hiob anhört und ihm antwortet, schafft er den ersten Trost: Das ist Trost durch Annehmen und Zuhören. Dadurch, dass er darüber hinaus Hiobs Klagen nicht zurückweist, sondern sie zulässt, als Ausdruck eines Leidenden, wird er ernstgenommen.

Trost spendet Gott im Hiobbuch  drittens durch ein Versprechen.  Die Botschaft heißt, dass Gott, Herr der Welt ist, auch wenn sie in Chaos zu versinken scheint.  Jenseits der Verstehbarkeit der Welt und des eigenen Schicksals steht die Zusage, dass es Gott ist, in dem alles aufgehoben ist.

Der klagende und nach Sinn fragende Hiob bekommt letztendlich keine Antworten und ist gezwungen über die Fragen hinaus zu kommen, über das direkt sich Aufdrängende zu blicken, sozusagen über den Horizont zu schauen. Ihm wird deutlich, dass das Leben nicht in Fragen besteht, auf die er als Mensch keine Antwort erhalten kann, sondern im Hinhören, im Achtsam-Sein, im Neu-Sehen lernen. Dafür ist er, nachdem er seine Klage herausgelassen hat, bereit. In der Schwebe ist jedes Leben, es schwingt zwischen Erkenntnis und Erleben des Verborgenen, in jeder Schwingung wird eine Körnchen Lebenskraft frei, die auch Hiob erfahren hat und die ihm hilft, nicht zu verzweifeln, sondern mit diesem bisschen Energie den nächsten Augenblick anzugehen. Ähnlich muss es den Israeliten in der Wüste ergangen sein, als Gott ihnen Manna als Speise schickte. Nach „Menschenart“ rafften sie alles zusammen und sammelten auf, so viel sie haben konnten. Aber das köstliche Manna verdarb schnell, es war immer nur eine Tagesration, die ihnen von Gott zum Leben gegeben wurde. Eine Aufgabe für die Seelsorge ist es, den Augenblick im Lebensalltag wieder zu entdecken und Wert zu schätzen.

 

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