Segen


Wenn man sich mit dem Leben beschäftigt, darf die Frage nach dem Segen nicht fehlen. Denn der Segen ist auf die Erhaltung und Entfaltung des Lebens gerichtet (z.B. in der Schöpfungsgeschichte 1. Mose 1,22 und 28). Das Leben eines Menschen kann mit Segen oder Fluch belegt werden. Beiden wird Wirkmächtigkeit zu gesprochen.

Im Gegensatz zum Fluch bezeichnet der Begriff Segen die Vergewisserung von gutem und gelingendem Leben. Gesten, wie das Erheben oder Auflegen der Hände sowie die Verwendung feierlicher Formeln und deren Wiederholung, verleihen den segnenden Worten zusätzliches Gewicht. Dem Aussprechen von segnenden Worten und dem Segen spenden wird eine positive Wirkung zugesprochen.

Im Alten Testament segnet Gott die Menschen (1. Mose 1,28). Damit wird die Gewissheit des Fortbestandes der Menschheit und Gottes Begleitung materialisiert. Der persönlich zugedachte Segen symbolisiert einmal Gottes Bund mit den Menschen, seinen Willen die Schöpfung zu erhalten und lässt damit seine freiwillige und gutmeinende Bindung an die Menschen erkennen. Die Wirksamkeit des Segens allerdings liegt weiterhin in der unverfügbaren Freiheit Gottes.

Und deshalb gibt es auch so etwas, dass auf mich wie ein „erschlichener“ Segen wirkt. Das manifestierte Heilshandeln Gottes am Menschen, der Segen entzieht sich menschlichem Verstehen. Jacob erschleicht sich den Segen seines Vaters. Er erkauft sich von seinem Bruder das Erstgeburtsrecht und damit das Erbe. Er erhält den Familiensegen vom blinden Vater, den er betrügen muss, indem er als sein Bruder auftritt (1. Mose 27,23b-29). Die Unbegreiflichkeit Gottes zeigt sich, weil er nach menschlichem Verstehen, scheinbar unmoralisches Handeln zulässt und unterstützt.

Der Segen kann auch erkämpft werden. Jakob erringt (1.Mose 32) sich den Segen im Kampf auf Leben und Tod. Am Fluss Jabbok wird Jakob im Dunkeln  von einer Macht angegriffen. Ein Kampf auf Leben und Tod bricht aus. Jakob erkennt im Angreifer Gott und erzwingt sich den Segen. Merkwürdige Wege und Umwege, die Segen in diesen biblischen Erzählungen zu nehmen vermag.

 

Jakob, der gesegnete Gottes

Die Jakobgeschichte (1.Mose 30-34) zeigt, wie die Vergangenheit noch in die Gegenwart hineinwirken kann. Jakob war reich geworden, er hatte seinen Vorteil im Blick. Er hatte seinen Bruder um das Erstgeburtsrecht betrogen und sich das Erbe erschlichen (1. Mose 27). Eines Tages holt ihn seine Vergangenheit ein. Sein Bruder Esau will zurück, was ihm gehört. Da begegnet Gott dem Jakob am Jabbok. Jakob kämpft nachts mit einer unerkannten Macht bis er sich geschlagen gibt und plötzlich weiß, dass es Gott ist, der sein Gegner war. In dieser Begegnung holt das Dunkle, das eigene Versagen seines Lebens, ihn ein. Diese Erfahrung verändert seine Beziehung zu Gott. Nach dem Kampf erlebt er sich als ein Geschlagener. Bisher war er auf der Siegerseite. Er erfährt, dass er ein Sieger bleibt, aber nicht aufgrund seiner Taten, sondern weil Gott ihn segnet. Er sieht sein Leben neu und kann ihm eine andere Richtung geben. Jetzt versöhnt er sich mit Esau. Eine lang anstehende "Lebenshausaufgabe" ist gemacht worden.

Ein Bild für die Erfahrung von Krise ist die Geschichte von Jakob am Jabbok (1.Mose 32, 23ff). Jakob wird von einer Macht bedroht. Seine Existenz steht auf dem Spiel. Er erfährt, dass Gott es ist, mit dem er kämpft. Er ringt um den Segen, als Hinkender wird er zum Gesegneten Gottes. Maria Kassel beschreibt Jakob so: "Jakob erscheint in der Versöhnungsszene nicht mehr als der Mensch, mit der penetranten Selbstsicherheit, der Lebenserfolg für das Ganze des Menschseins setzt. Er wirkt vielmehr geradezu demütig, als einer, der schmerzhaft an seine Grenzen gestoßen ist, der diese aber als Tor in die ihn umgreifende Dimension des Unbedingten, in die Dimension Gottes hinein erfahren hat."

"Mit etwas geschlagen sein" bedeutet also nicht, sich geschlagen geben zu müssen. Um "neu sehen" zu lernen, ist es notwendig, neue Erkenntnisse über das eigene Leben, evtl. ausgelöst durch Leiderfahrung, zuzulassen. Wenn die Vergangenheit unter den Bedingungen der Gegenwart reflektiert wird, ergeben sich daraus oft bestimmte noch zu erledigende Aufgaben.

Jakob erfährt, dass er auf Gott angewiesen ist. Allein kann er sein Leben nicht bewältigen, diese Erkenntnis führt zur Reifung und tieferer Erkenntnis seines Daseins. Als Geschlagener ist er ein Gesegneter.


Segen im NT etc.

Der Segen Gottes begegnet im Neuen Testament den Menschen in der Person Jesu. Da, wo er ist, geschieht Segen und Menschen werden zu Gesegneten. Ihnen wird Heilung zuteil oder es gelingt ihnen, ihr Leben zu ändern.

Eine syrophönizische Frau bittet Jesus um Hilfe für ihre kranke Tochter (Mk 7, 24-30). Jesus erkennt in dieser fremden Frau ihren Glauben und heilt ihre Tochter, obwohl sie keine Juden sind, dem Volk zu dem er geschickt wurde. Zachäus, der betrügerische Zolleinnehmer ändert durch Jesu Zuwendung sein Leben (Lk 28, 9-14). Modern interpretiert kann man sagen, dass er von Jesus die Annahme erfährt, die er sich auf einem falschen Weg über die Betrügereien verschaffen wollte.

Von Jesus wird die Kindersegnung (Mk 10, 13ff) überliefert und die Aufforderung an die Nachfolgenden zu segnen und zu taufen.  Taufbefehl.  Diese Überlieferungen gehen vermutlich auf die frühchristliche Gemeinde- und Taufpraxis zurück. Der Segen und die Segenshandlungen nehmen für die Menschen, die nicht in der Zeit Jesu lebten, an Bedeutung zu. Seine Spendung versichert die Gegenwart des Heils, repräsentiert Gottes Anwesenheit in der Welt. Gesegnete werden selbst zu Segen. Darum sind sie aufgefordert zu segnen, auch die, die einem böse wollen, die verfluchen oder die verfolgen (Mt 5,44; Röm 12,14).

Segen stellt in den Machtbereich Gottes. Er symbolisiert seine Nähe und Wirkkraft. Segen ist weder eine Garantie für Erfolg, noch ein magisches Schutzschild gegen Böses und Leidvolles. Auch gesegnete Menschen können Leid und Unglück erleben. Trotzdem sind sie „behütet“ und unter Gottes Schutz gestellt. Das Entscheidende am Segen ist nicht, ob Gutes erfahren wird oder ob es schlecht geht. Gesegnet-sein heißt: Inmitten der äußeren Umstände, wie immer sie aussehen, ist Gottes Nähe vorhanden, ist seine Kraft da, hat der Mensch die Möglichkeit mit den Gegebenheiten seines Lebens umzugehen.

Segen symbolisiert die Gestaltungskraft Gottes in der Welt. Zur Wirkung kommt sie durch uns, die Menschen, die sich anrühren lassen im Segensgeschehen und die sich berühren lassen durch das, was uns heilt und stärkt.

 

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